Vergleichbare Messergebnisse können Netzwerktechniker nur gewährleisten, wenn sie die EF-Einkoppelbedingung regelmäßig überwachen, denn selbst bei baugleichen Messgeräten können Unterschiede auftreten
Doch wie lässt sich zuverlässig erkennen, ob das Netz ausgelastet ist, oder wie viel Lichtleistung tatsächlich verloren geht? Eine Lösung heißt Encircled Flux. Die Einkoppelbedingung definiert die Anregungsbedingungen in Multimode-Glasfasern. Dafür wird das Verhältnis zwischen der eingekoppelten Sendeleistung und dem Radius des angeregten Teils des Faserkerns bestimmt.
Technische Voraussetzungen für präzise Messungen
Präzise und reproduzierbare Messungen der Dämpfung in Multimodefasern sind anspruchsvoll und wichtig: Während sich bei Singlemodefasern Licht in nur einer Mode ausbreitet, haben Multimodefasern einen wesentlich größeren Kern. Dies ermöglicht die Lichtübertragung auf unterschiedlichen Wegen (Moden).In der Praxis gestaltet sich die Messbarkeit verlässlicher und reproduzierbarer Einfügedämpfungen (IL = Insertion Loss) jedoch schwierig. Um Encircled-Flux-Compliance herstellen zu können und die auf der Verkabelungsstrecke verlorengehende Lichtleistung genau zu messen, benötigen Techniker zunächst qualitativ hochwertige Komponenten wie Messkabel, Kupplungen und Stecker.
Ein falscher Messaufbau oder unterschiedliches Equipment kann zu IL-Messungenauigkeiten oder zu stark abweichenden IL-Werten beitragen. Dies ist etwa der Fall, wenn zwei Techniker zwar das gleiche Referenztestkabel mit Steckverbindern in Referenzqualität und unter Verwendung von Mandrels nutzen, dabei jedoch unterschiedliche Lichtquellen oder Lichtenergien wie VCSEL (Vertical Cavity Surface Emitting Laser), Laser oder LED in die Stecker einkoppeln. Und selbst wenn die Lichtquelle dieselbe ist, können typische Ungenauigkeiten im Bereich von bis zu +/– 0,09 dB auftreten.
Verfälschte Messergebnisse durch LED oder Laser
Kantenstrahler wie Laser oder VCSEL-Hochleistungslaser übertragen hingegen die Lichtenergie nur in einen geringen Bereich des Kerns (Bild 2). Strahlungsfläche und Winkelverteilung des Lichtes sind bei diesen Lichtquellen kleiner als der Faserkern. Dadurch konzentriert sich der Großteil der optischen Leistung in der Mitte der Faser und leuchtet den Kern nicht vollständig aus. Diese »underfilled launch condition« genannte Anregung erzeugt zu niedrige Dämpfungswerte. Die Messergebnisse sind in der Regel zu optimistisch.
Anwendungsnormen für Encircled Flux
Entstehung und Entwicklung der Encircled-Flux-Metrik stehen in engem Zusammenhang mit den Oberflächenemittern VCSEL: Seit 1999 kommen sie dank ihrer hohen Datenrate und ihrer Eignung für die analoge Breitband-Signalübertragung als optische Sender für die High-Speed-Übertragung zum Einsatz. VCSEL-Lichtquellen arbeiten mit einer Wellenlänge von 850 nm, koppeln dabei aber das Licht anders ein als LEDs mit gleicher Wellenlänge. VCSELs emittieren einen schmalen Lichtstrahl, der in der Mitte des Glasfaserkerns am hellsten ist, nach außen hin schnell abdunkelt und den Kern nahe der Grenzschicht zum Mantel nicht mehr beleuchtet. Die Wellenlänge von 850 nm hat das IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers) auch für die Übertragung von VCSELs auf Multimodefasern für Gigabit-Ethernet vorgegeben.
Mit der Entwicklung des 10-Gigabit-Ethernet kam es zur Festlegung der Encircled-Flux-Metrik: Sie definiert Encircled Flux als Einkoppelbedingung für eine ideale VCSEL-Lichtquelle, die ihre Lichtleistung stärker auf die Mitte des Faserkerns konzentriert als Laser oder LEDs. Seit Juli 2009 definiert der IEC-Standard 61280-4-1 die Teilbereiche für die Energieverteilung des Lichtes im Kern (Tabelle 1).
Mandrels verringern die Dämpfung
Da LED-Lichtquellen den Glasfaserkern überfüllen, weisen sie mehr Moden auf, die sich nahe der Grenzschicht zwischen Kern und Mantel befinden. Diese Moden höherer Ordnung sind anfälliger für die Dämpfung durch das Biegen der Glasfaser und gehen an Verbindungsstellen zuerst verloren. Werden Multimode-Dämpfungsmessungen mit einer LED-Lichtquelle durchgeführt, kommen Mandrels (zylindrischer Wickeldorn, Bild 4) zum Einsatz. Sie gewährleisten zuverlässige und reproduzierbare Ergebnisse, indem das mit der Lichtquelle verbundene Anschlusskabel so um den Mandrel gewickelt wird, dass der Einfallswinkel an der Biegung kleiner ist als der Grenzwinkel der Totalreflexion. Dadurch lassen sich die Moden höherer Ordnung beseitigen, bevor das Testsignal in die zu prüfende Strecke eingekoppelt wird. Die gemessene Dämpfung verringert sich.
Fiber Shaker schüttelt die Faser
Die Encircled-Flux-Einkoppelbedingung verbessert die Reproduzierbarkeit der Messergebnisse und senkt deren Abweichung auf einer gesamten Verbindungstrecke auf unter 10 %. Um jedoch vergleichbare Messergebnisse gewährleisten zu können, müssen Netzwerktechniker die EF-Einkoppelbedingung regelmäßig überwachen. Dies ist auch dann nötig, wenn Hersteller von Dämpfungsmessgeräten die Einhaltung von EF garantieren, da selbst bei baugleichen Messgeräten der gleichen Serienreihe und desselben Baujahrs Unterschiede auftreten können.
Insertion-Loss-Messung in der Praxis
In der Praxis läuft die IL-Messung von LWL-Steckern (S2) oder Kabeln wie folgt ab: Netzwerktechniker verbinden einen Testjumper mit einer Lichtquelle. Sie bringen am Ende des Testjumpers einen Stecker an (S1) und verbinden ihn mittels Kupplung mit dem Prüfling. Anschließend koppeln sie das Licht von der Lichtquelle über S1 in den Stecker S2 ein, fangen es so über das daran angeschlossene Kabel am anderen Ende auf und messen es. Die Lichtübertragung in der Glasfaser erfolgt nur im Faserkern, nicht in der gesamten Faser. Mit diesem Testaufbau lassen sich die Verlustleistung respektive der Energieverlust messen, die beim Einkoppeln der Lichtenergie von S1 in S2 entstehen.Da sich Encircled Flux abhängig von der verwendeten Faser oder weiteren Zwischenadaptierungen signifikant verändern kann, muss ihre Compliance zwingend am Ende des Testjumpers kontrolliert werden. Die Firma tde überprüft beispielsweise laufend das gesamte Multimode-Messequipment einschließlich aller Testjumper und garantiert so IEC-Konformität und die Reproduzierbarkeit ihrer Testergebnisse.
Vorteile von Encircled Flux
Encircled Flux spielt auf vielen Ebenen seine Vorteile aus: Mit sorgfältig definierten Anregungsbedingungen lassen sich Ungenauigkeiten bei Dämpfungsmessungen nachweislich auf circa 10 % reduzieren. Auch eine gute Performance in High-Speed-Netzen bei Verwendung von 850 nm VCSELs in 10-Gigabit-Ethernet-Systemen lässt sich nur unter Einhaltung von Encircled Flux gewährleisten (Bild 5). Das gilt auch für neue Technologien wie »Prizm Lightturn«, bei denen optoelektronische Module direkt auf den Leiterplatten montiert und über Prismenstecker platzsparend angeschlossen werden, oder »Lensed (Prizm) MT (2-dB-Connector)«, die ohne EF-Compliance keine zuverlässigen Messergebnisse liefern.Nicht zuletzt gewährleistet Encircled Flux auch die bessere Vergleichbarkeit von unterschiedlichem Messequipment. Doch auch wenn inzwischen viele LSPM- und ODTR-Geräte EF-Bedingungen liefern, so gilt die Einhaltung nur für den Messgeräte-Ausgang und nicht zwangsläufig auch für nachgeschaltete Testjumper oder Vorlaufstrecken. Denn wird ein Adapterkabel zwischen Messgeräte-Ausgang und Prüfling geschaltet, können sich die am zu messenden Stecker anliegenden Einkoppelbedingungen völlig ändern. Mögliche Gründe hierfür sind Fasertypen unterschiedlicher OM-Kategorien, deren Kombination, die Verbindungsanzahl oder sogar unterschiedliche Faserhersteller und Kabellängen.
Netzwerktechniker müssen daher mit geeigneten Testgeräten überprüfen, ob die EF-Bedingungen noch anliegen, und diese gegebenenfalls mit geeigneten Maßnahmen wie einem Mode Controller oder Mandrel herstellen. Da es keine verbindliche Anleitung für die Herstellung von Mandrels gibt, müssen sie im Einzelfall faser- oder kabelabhängig mit Hilfe eines EF-Flux-Meters hergestellt werden.
Encircled Flux ist kein statischer Parameter. Vielmehr verändert sich die Anregungsbedingung dynamisch im Lauf einer Kabelstrecke. Um verlässliche und vergleichbare Messergebnisse erzielen zu können, müssen Hersteller und Netzwerkingenieure die Einkoppelbedingungen direkt vor dem zu messenden Stecker prüfen. Nur hier lässt sich Encircled Flux erfolgreich umsetzen.
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