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BHE-Fachkongress Brandschutz 2019

Normen schützen nicht vor Haftung

Bei der Podiumsdiskussion zur Haftung im Brandschutz wurde daran erinnert, dass die Anwendung einer Norm nicht vor Strafe schützt; Quelle: Kalscheuer
Bei der Podiumsdiskussion zur Haftung im Brandschutz wurde daran erinnert, dass die Anwendung einer Norm nicht vor Strafe schützt; Quelle: Kalscheuer
Bei der eröffnenden Podiumsdiskussion zur Haftung im Brandschutz rückten die aktuellen Risiken für Planer, Errichter und Betreiber in den Fokus. Denn neue Übertragungstechniken ziehen auch neue Normen und Vorschriften nach sich. Dabei stellten die Diskussionsteilnehmer klar heraus: Die Anwendung einer Norm schützt nicht vor Strafe! Normen seien nur Handlungsempfehlungen, die nicht baurechtlich definiert sind, und zudem oft falsch interpretiert würden. So kann ein Brandschutzkonzept durchaus Abweichungen von Normen deklarieren. Wichtig hierbei: Abweichungen und Änderungen müssen detailliert dokumentiert werden.

Sperrige Gesetze und Pluralismus

Bemängelt wurde in der Diskussionsrunde nicht nur, dass einige Verordnungen von Juristen sperrig bis unverständlich nach politischen Vorgaben formuliert werden, ohne dass Fachleute gefragt werden. Sondern auch, dass der Pluralismus z.B. bei der Landesbauordnung für Rauchwarnmelder zu 16 verschiedenen Anwendungsrichtlinien führt, sodass die Haftungsfrage an den Grenzen der Bundesländer teilweise von der gewählten Straßenseite abhängt.

Norbert Schaaf (Atral-Secal) eröffnete als Vorstandsvorsitzender des BHE Bundesverband Sicherheitstechnik e.V. das Vortragsprogramm mit einem Einstieg zur neuen DIN VDE V 0826-2 für Brandwarnanlagen (BWA). Die Norm ersetzt die BHE-Richtlinie für Hausalarmanlagen (Typ B). Sie ist speziell auf Kindertagesstätten, Heime und Beherbergungsstätten zugeschnitten. Aber auch Flüchtlingsunterkünfte und Hotels bis 60 Zimmer fallen unter diese Norm. Nach der Abgrenzung zu Brandmeldeanlagen (BMA) zeigte Schaaf auch die Einsatzfelder der BWA auf.

Ungelesene Normen und fehlende Anweisungen

Neuerungen der DIN 14676:2018 und der normgerechte Betrieb von Rauchwarnmeldern standen bei Lars Inderthal (infra-pro GmbH) auf dem Programm. Er präsentierte die geänderten Anforderungen an Betreiber und Servicetechniker, und was bei der (Fern-)Inspektion von Rauchwarnmeldern beachtet werden muss. Obwohl Normen den Maßstab für einwandfreies, technisches Verhalten bilden, hätten viele Errichter die für sie relevanten, aktuellen Normen noch nie in der Hand gehabt. Inderthal stellte zudem heraus, wie wichtig es ist, eine Dokumentation zum Einbau eines Rauchwarnmelders zu erstellen: »Dazu zählt auch, den Nutzer einzuweisen und ihm die Gebrauchsanweisung des Herstellers bereitzustellen.«

Albert Orglmeister von der Firma Orglmeister Infrarot-Systeme brachte den Kongressteilnehmern die Brandvermeidung durch Infrarot-Temperaturüberwachung nach VdS 3189 in Innen- und Außenbereichen näher. Dabei ist zu beachten, dass Infrarotkameras keine klassische Branderkennung, sondern Temperaturüberwachung zum vorbeugenden Brandschutz einsetzen. So erfolgt z.B. in Müllbunkern bei Temperaturen über 85°C eine Alarmierung und ggf. die automatische Ansteuerung von Löschanlagen. Dass große Mengen brennender Kunststoff-Wertstoffe bereits nach fünf Minuten von der Feuerwehr nicht mehr löschbar sind, unterstreicht dabei die Notwendigkeit der Brandfrüherkennung.

Brandschutzkonzept und Brandmeldekonzept

Bereits zum 7. Mal fand der BHE-Kongress Brandschutz statt, diesmal mit über 400 Teilnehmern; Quelle: Kalscheuer
Bereits zum 7. Mal fand der BHE-Kongress Brandschutz statt, diesmal mit über 400 Teilnehmern; Quelle: Kalscheuer
Um Brandmeldekonzepte gemäß DIN 14675 und deren rechtssichere Umsetzung in der Praxis drehte sich der Vortrag von Karsten Schütt (Schütt Elektrotechnik). Dabei hob er hervor, dass das Brandmeldekonzept ein professionelles Brandschutzkonzept voraussetzt. »Das Brandschutzkonzept beschreibt den Soll-Zustand und berücksichtigt sowohl Risikosituationen als auch Schutzziele«, fasste Schütt zusammen. Zusammen mit der Baugenehmigung ergebe dies die Grundlage zur Errichtung brandschutztechnischer Einrichtungen. Auch die Forderungen der Versicherer sollten hier einfließen. Eine Vorlage für Planer und Errichter zur Konzepterstellung der BMA ist mit dem »BHE-Brandmelde- und Alarmierungskonzept« kostenfrei auf der BHE-Homepage verfügbar.

Faulende Kiwis irritieren CO-Melder

Mit Labor-Ergebnissen zu »warmen Sanierungen« und Bildern von Installationsfehlern startete Sascha Puppel den zweiten Kongresstag. Seine Erfahrungen aus seiner Tätigkeit beim gleichnamigen Sachverständigen- und Planungsbüro ließ er in seinen Vortrag zu Neuerungen der DIN VDE 0833-2 für Brandmeldeanlagen einfließen. Eine der Änderungen gegenüber der Version von 2009 ist, dass nun Brandgasmelder mit CO-Sensoren für unvollständige Verbrennungen ohne viel Rauch in die Norm aufgenommen wurden. Allerdings wies Puppel darauf hin, dass solche Melder nicht für jede Umgebung geeignet sind: »In Kompostieranlagen sorgt ein CO-Melder laufend für Falschalarme, weil z.B. faulende Kiwis einen hohen CO-Ausschuss erzeugen.«

Weitere Änderungen in der Norm betreffen die Anforderungen an Funkübertragungswege, die Überwachung von Deckenfeldern, Unterzügen und Treppenräumen und die Intern-Alarmierung. Eine Intern-Alarmierung bezeichnet den stillen Alarm bei Einrichtungen für Hilfs- und Pflegebedürftige. Neu geregelt ist auch der Funktionserhalt der BMA im Brandfall und die Projektierung optischer Signalgeber nach DIN EN 54-23. Letztere haben mit roter Lichtfarbe einen relativ geringen Signalisierungsbereich, weshalb das individuelle Brandmelde- und Alarmierungskonzept eine andere Farbe festlegen darf.

Gleichwertige Produkte als Sachmangel?

Dass nicht nur die Anforderungen an den Fachplaner steigen, der Schutzziele festlegen soll, sondern auch sein Haftungsrisiko, zeigte sich im Vortrag von Martin Mohren. Der Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sorgte mit seinem Thema »Mangelhafter Brandschutz – Haftungsfragen und Risikovermeidung« dafür, dass der Tagungsraum um Stehplätze erweitert werden musste. Sein Repertoire reichte von der Haftung bei Planungs-, Ausführungs- und Bauleitungsfehlern, über den Gesamtschuldner bis hin zur Bedenkenanmeldung.

Schon die unklare Bedeutung der »Gleichwertigkeit« von Produkten in Ausschreibungen könne zum Fallstrick werden: »Wenn Sie nicht das ausgeschriebene Produkt verbauen, öffnen Sie das Tor für den Mangel. Die Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit des hergestellten Gewerks ist gleichbedeutend mit einem Sachmangel.«

Auch rechtlich gesehen kann sich niemand durch das Anwenden von Normen der Verantwortung für sein Handeln entziehen. Der Planer oder Unternehmer trägt z.B. das Risiko, falls eine Norm nicht korrekt ist. So wird bei einem Vertrag nach VOB/B (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B: Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen) die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik stillschweigend zugesichert. Bei mangelhafter Planung ist der Auftragnehmer in der Pflicht, zu prüfen, Bedenken anzumelden und anzuzeigen.

Alarmübertragung ohne CSD und GSM

Wie man die Fernalarmierung bei Brandmeldeanlagen korrekt umsetzt, beschrieb Willi Vautz (Telefonbau Arthur Schwabe). Bei der Sicherungskette aus Alarmanlage, Übertragungseinrichtung, -netz, - zentrale und Gefahren- oder Alarmmanagementsystem ist auch die neue DIN EN 50136-1 für die Anforderungen an Alarmübertragungsanlagen zu berücksichtigen. Die Norm umfasst nun auch IP-basierte Übertragungsnetze, wobei der Messung und Dokumentation der Systemverfügbarkeit besonderes Augenmerk zukommt. Telekommunikationsnetze basieren nicht mehr auf ISDN, und Meldungsübertragungsdienste wie CSD (Circuit Switched Data) entfallen. »Auch GSM ist in der Schweiz bereits abgekündigt, und Deutschland wird bald folgen«, erinnerte Vautz die Zuhörer. Der Umstieg auf IP-Dienste wie GPRS, UMTS und LTE sei deshalb nur eine Frage der Zeit.

Fluchtwegrichtung ereignisorientiert ändern

Mit den Zeichen der Zeit geht auch die dynamische Fluchtweglenkung, die Ulrich Höfer (Inotec Sicherheitstechnik) vorstellte. Statt eines statischen Blechschildes setzt die aktive Fluchtwegkennzeichnung auf beleuchtete Hinweisschilder und bodennahe Leitmarkierungen. Diese reagieren richtungsvariabel und mit optischen Sperrsymbolen auf von Sensoren erfasste Ereignisse. Damit ändert sich die angezeigte Fluchtwegrichtung, um Menschen nicht in einen Brand hinein zu leiten, sondern sie sicher zum nächsten freien Fluchtweg zu bringen.

Mit Blick auf die DIN EN 1838 »Angewandte Lichttechnik – Notbeleuchtung« regte Höfer auch an, über Blinkfunktionen für Leuchten in mit Leuchtreklamen gepflasterten Shopping Malls nachzudenken. Oder die Möglichkeit, Türen entgegen der vorgesehenen Fluchtrichtung nutzbar zu machen. Man dürfe bei all den geltenden Normen und Vorgaben das Schutzziel nicht aus den Augen verlieren, riet Höfer und fragte provokativ: »Wollen wir DIN-gerecht sterben oder überleben?«
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Britta Kalscheuer

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