Die vorausschauende Wartung hat gegenüber der reaktiven und der vorbeugenden Wartung große Vorteile. Wenn einerseits das Teil erst ausgetauscht wird, wenn die Maschine bereits streikt, kann es zu einem teuren Stillstand kommen. Wenn andererseits die Teile prophylaktisch ersetzt werden, obwohl sie noch funktionieren, werden unnötig Kosten verursacht. Mit der vorausschauenden Wartung kann der Anwender die genannten Nachteile und Risiken vermeiden. Sie basiert auf Sensordaten, die Rückschlüsse auf die tatsächliche Alterung des Teils zulassen.
Das gilt auch für vermeintlich »einfache« Komponenten wie Kabel und Leitungen. Denn auch der Ausfall einer Leitung kann eine ganze Produktion lahmlegen und hohe Kosten nach sich ziehen. Einige Lösungen für Verbindungssysteme gibt es bereits am Markt. Sie sind aber nicht überzeugend und praktikabel.
Vorhersage über ein Protokoll
Nun hat der Hersteller Lapp ein Messprinzip entwickelt, das ohne Veränderung des Leitungsaufbaus auskommt, also ohne zusätzliche Mess- oder Opferadern im Kabel, denn das würde einen erhöhten Aufwand bei der Installation bedeuten. Die Vorhersage sollte allein über ein Protokoll und einen speziellen Algorithmus erfolgen. Der Elektrofachmann kann die Leitungen dann wie gewohnt anschließen und muss keine zusätzlichen Opferadern verbinden. So ist auch ein Retrofit bestehender Anlagen möglich.
Bei dem Projekt hat sich Lapp zunächst auf die industrielle Datenkommunikation konzentriert, da sich Ethernet-Leitungen mit ihrem komplexen Aufbau besonders gut für das Messprinzip eignen (Bild 1).
Sie zeigen mit ihren notwendigen Hochfrequenzeigenschaften eigene Fehlercharakteristika. Das fängt mit einer gebrochenen Abschirmung an, die zu erhöhten Störungen durch EMV führt. Brechen Litzen, nimmt die Dämpfung zu und die Datenrate sinkt. Bei einem kompletten Aderbruch fällt die Kommunikation schließlich ganz aus. Ziel war es, den bestmöglichen Austauschzeitpunkt einer Leitung vorauszuberechnen und damit den Zeitpunkt des Austausches so zu planen, dass die Produktion möglichst wenig gestört wird. Die voraussichtliche Lebensdauer wird aus den Veränderungen der Übertragungseigenschaften errechnet. Nach den Ethernet-Leitungen sollen in einem nächsten Schritt auch stromführende Leitungen überwacht werden.
Messung in der »Predictive Maintenance Box«
Die Messung und Auswertung erfolgt in der so genannten »PMBx« (Predictive Maintenance Box). Sie wird in die Ethernet-Leitung eingebracht und überwacht das Leitungsstück zwischen Anwendung und Box. Die Datenpakete laufen ohne merkliche Verzögerung vom einen Ethernet-Port zum anderen Port. Für eine angeschlossene SPS ist die Box nicht sichtbar, sie hat keinen Einfluss auf die Datenübertragung (Bild 2). Sie eignet sich damit auch für bestehende Anlagen, ohne dass Änderungen an der Software der SPS notwendig sind.
Aus der Mischung aus übertragungsrelevanten Parametern wird der so genannte »Lapp Predictive Indicator« berechnet. Die Messung mehrerer Größen erlaubt auch Plausibilitätsprüfungen und minimiert Fehlinterpretationen von Messwerten. Für die Energiekettenleitungen von Lapp wurden im hauseigenen Testzentrum Messwerte im Big-Data-Ansatz gesammelt und anschließend durch mathematische Algorithmen analysiert (Bild 3). Die resultierenden Parameter werden dann mit den Daten des Kunden in der Box im laufenden Betrieb zum »Lapp Predictive Indicator« verrechnet.
Je mehr Daten – auch vom Kunden – es gibt, umso genauer wird die Vorhersage. Lapp prüft die Anwendung von Machine-Learning Ansätzen, um die Vorhersagequalität des Algorithmus deutlich zu steigern (Bild 4). Zukünftig soll es möglich sein, eine Restlebensdauer zu berechnen, die abhängig ist vom Bewegungsprofil der Leitung. Wenn man die Leistungsfähigkeit des Kabels vorausschauend berechnen kann, dann lässt sich der passende Austauschzeitpunkt planen und das Ersatzbauteil rechtzeitig bestellen. Vorzugsweise wird dann ein Zeitraum genutzt, in dem die Maschine ohnehin nicht läuft, zum Beispiel während einer Umrüstung oder zeitgleich mit anderen Wartungsarbeiten. Aktuell starten mit Pilotkunden erste konkrete Umsetzungen der Lösung.