Ein sonniger Tag im Juli, es ist gerade Mittagspause. Vor dem BZL stehen die Teilnehmer in kleinen Gruppen zusammen und unterhalten sich. So weit sieht alles ganz normal aus. Doch »normal« ist in Corona-Zeiten auch die Aus- und Weiterbildung nicht: Will man das Gebäude betreten, so ist dies wie an vielen anderen Orten nur mit Maske erlaubt, zusätzlich wird die Körpertemperatur gemessen.
Im BZL hat man Erfahrung mit dem Corona-Virus, auch wenn man darauf gerne verzichtet hätte: So hatte man bereits im März zwei positiv getestete Fälle ‒ Rückkehrer aus dem Skiurlaub, wie Achim Wieber im Gespräch mit »de« berichtet (Bild 2). Er ist seit Dezember 2018 Geschäftsführer des BZL. Inzwischen greifen die Hygienemaßnahmen. Der Weg dorthin sei allerdings durchaus steinig gewesen: »Die Politik war sich lange nicht einig, wer für uns als Bildungsträger eigentlich zuständig ist und welche Vorschriften für uns gelten. Wir unterrichten Azubis und Erwachsene, haben eine eigene Gastronomie und bieten Übernachtungsmöglichkeiten in eigenen Räumlichkeiten an – das ist durchaus komplex.«
Noch sei man nicht wieder im Normalbetrieb, aber immerhin schon wieder bei rund 75 %. So habe etwa die Gesellenprüfung Teil II regulär Ende Juni stattgefunden, die Prüfung Teil I hingegen ist verschoben auf November. Einen Teil der Azubi- und Meisterkurse hat man inzwischen digitalisiert und unterrichtet online. Die Zukunft gehöre einem intelligenten Mix aus Präsenz- und digitalen Formaten, sagt Ralf Dörr, technischer Leiter des BZL. Präsenz-Seminare finden sowohl im BZL als auch bei den Firmen in Ballungsgebieten statt. Das BZL liegt in der mittelhessischen Kreisstadt Lauterbach mit gut 13.000 Einwohnern, rund 1,5 Stunden nordöstlich von Frankfurt.
Vorteil Land
Was man landläufig als »Provinz« bezeichnen könnte, bietet aus Sicht von Achim Wieber durchaus Vorteile für die Teilnehmer. Die Übernachtungen sind sehr preiswert. Das BZL stellt hierfür zwei Häuser zur Verfügung: Das moderne Berghaus (Bild 1b) mit sehr guten Internet- und Freizeitmöglichkeiten für die Auszubildenden und das »BZL Meisterhaus« oder Pensionen.
Durch das gemeinsame Lernen und Leben der Teilnehmer entsteht ein entsprechendes Zusammengehörigkeitsgefühl – oft auch über die Kursphase hinaus. So hat sich im vergangenen Jahr ein Meisterkurs aus dem Jahr 1979 zum 40-jährigen Jubiläum wieder im BZL getroffen. Das Lernen im Team und die kleinen Klassengrößen von maximal 16 Personen in den Meisterkursen tragen zum Lernerfolg bei – bei den letzten beiden Meisterprüfungen haben 100 % bestanden.
Blick zurück
Anlässlich eines Jubiläums lohnt ein Blick in die Vergangenheit. Und die begann beim BZL nicht vor 50 Jahren, sondern bereits 1953 mit einer provisorischen Schulungsstätte inkl. Gästehaus im rund 30 km entfernten Ort Schotten. Dort wurden die Lehrlinge der Radio- und Fernsehtechnik im damaligen Landesinnungsverband Hessen unterrichtet. Nach diversen Erweiterungen weihte man im November 1966 die erste Schulungsstätte des ZVEH in Schotten ein – mit zwei großen Klassenräumen und einer kleinen Werkstatt. Der Platzbedarf nahm stetig zu, und so bezog man im Winter 1969 die Gebäude der leerstehenden Textilfachschule in Lauterbach, wo man Anfang 1970 den Betrieb aufnahm.
Am 12.5.1970 schließlich wurde der Schulverein BZL Lauterbach gegründet – die eigentliche Geburtsstunde des BZL. Der Verein ist bis heute Träger der Bildungsstätte, mit ZVEH-Präsident Lothar Hellmann und FEHR-Präsident Christoph Hansen als Vorsitzende. Im Herbst 1970 gab es je einen Meisterkurs für das Elektroinstallateur- sowie das Radio- und Fernsehtechnikerhandwerk, zehn Jahre später waren es schon vier Vorbereitungslehrgänge. Sowohl die Räumlichkeiten als auch das Bildungsangebot wurden über die Jahre hinweg stetig erweitert. Heute betreut das BZL jährlich mehr als 2100 Teilnehmer in der überbetrieblichen Ausbildung und über 50 Teilnehmer in Meisterlehrgängen. Dazu kommen weit mehr als 4000 Seminarteilnehmer – im BZL sowie auch bei Schulungen vor Ort.
Blick in die Zukunft
Innovationsfreudigkeit gepaart mit nachhaltiger Planung, das sind für Achim Wieber zwei der Leitlinien, an denen sich das BZL künftig orientieren soll. So hat man etwa im vergangenen Jahr rund 15 neue Seminarthemen ins Portfolio aufgenommen, darunter jetzt auch betriebswirtschaftliche Themen. Aktuell experimentiert man z. B. mit einer »Distanz-Coaching« genannten Methode: Die zu schulenden Personen bleiben im Betrieb und werden mit einer Datenbrille ausgestattet. Die Dozenten (Bild 3) können den Teilnehmer aus der Ferne anleiten.
Auch beim Thema Elektromobilität geht man ungewöhnliche Wege. Hier gibt es neben den klassischen Seminaren für das Elektrohandwerk auch eine ca. 2-stündige Online-Schulung »Fit für E-Mobilität«, die sich an Mitarbeiter von Autohäusern wendet. Anfangs vom ein oder anderen E-Handwerksbetrieb kritisch beäugt – soll hier eine neue Konkurrenz herangezüchtet werden? – hat das Konzept inzwischen überzeugt: Die Autohaus-Mitarbeiter sollen primär für das Thema E-Mobilität sensibilisiert werden, auch dahingehend, wo ihre fachlichen Grenzen liegen, etwa was die technischen Voraussetzungen für den Anschluss einer Wallbox betrifft. Ein Verweis auf einen E-Mobilitäts-Fachbetrieb vor Ort ist hier das richtige Vorgehen, das am Ende dazu führt, dass der Kunde zufrieden ist.
Weitere Projekte sind ebenfalls in Planung. So arbeiten Achim Wieber und sein Team daran, zu untersuchen, ob das BZL durch einen Zertifizierungsprozess zum bundesweiten Kompetenzzentrum ausgeweitet werden kann. Zwei Themen werden dazu derzeit parallel evaluiert, für eines davon will man den Zertifizierungsantrag einreichen. Das ist allerdings ein Prozess, der sich über mindestens zwei Jahre hinziehen wird – wir werden bei Gelegenheit darüber berichten.
Eine Bildergalerie mit einer Reihe weiterer historischer Aufnahmen aus der Geschichte des BZL finden Sie unter www.elektro.net/118110
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