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Das nächste digitale Desaster

Smart Meter: Einbau gestoppt

Im September 2016, also vor rund viereinhalb Jahren, trat das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende mit dem Messstellenbetriebsgesetz in Kraft. Danach sollten ab 2017 bestimmte Verbraucher mit einem intelligenten Messsystem ausgestattet werden. Daraus wurde bekanntlich nichts: Erst Ende 2019 hatte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) das dritte Smart Meter Gateway zertifiziert – eine der wesentlichen Voraussetzungen für den Beginn des Rollouts, der damit erst 2020 startete.

Nun fand der Rollout vorerst ein jähes Ende: Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster hat in einem Eilbeschluss vom 4.3.2021 eine entsprechende Allgemeinverfügung des BSI außer Kraft gesetzt. Die Konsequenz: Vorläufig dürfen nun auch weiterhin andere Messsysteme eingebaut werden. Geklagt hatte ein Unternehmen aus Aachen, das solche »anderen Messsysteme« anbietet. Wichtig dabei: Bereits installierte Smart Meter müssen nicht ausgetauscht werden. 

Bemängelt hat das Gericht vor allem, dass der Smart-Meter-Rollout in seiner jetzigen Form zu wenig neue Funktionen bietet und daher Innovationen verhindert. So seien die gesetzlichen Mindestvorgaben für die Interoperabilität nicht erfüllt. Oder anders formuliert: Die Smart Meter können kaum mehr als die bisher verwendeten Modelle, also kann man die auch ruhig weiter nutzen. Eine weitere gerichtliche Entscheidung steht noch aus, im Hauptsacheverfahren am Verwaltungsgericht Köln.

Das Ziel des Smart-Meter-Rollouts ist nachvollziehbar: Die Digitalisierung der Energieversorgung. Und die scheint auch dringend geboten. So erhielten die Betreiber von regenerativen Erzeugungsanlagen im Jahr 2020 Entschädigungszahlungen von weit über 1 Mrd. €, weil ihre Anlagen zeitweise wegen Netzüberlastungen abgeregelt wurden. Der Netzausbau, die Erhöhung der Speicherkapazität und die Digitalisierung hinken seit Jahren den gesteckten Zielen hinterher. Dennoch stieg das durchschnittliche Netzentgelt für Haushaltskunden im Jahr 2020 auf einen neuen Höchststand von rund 7,5 ct/kWh.

Intelligente Messsysteme allein werden die Energiewende nicht retten können, doch ohne sie kann es auch nicht funktionieren. Denn die entsprechenden Daten sind eine Grundvoraussetzung für jede Art der Digitalisierung. Was die Zukunft betrifft, bin ich bei staatlich gelenkten Infrastrukturprojekten in Sachen Digitalisierung offen gesagt nicht gerade optimistisch. Denn es zeigt sich ein klares Muster: Von der ­Digitalisierung der Verwaltung über die elektronische Gesundheitskarte und den Breitbandausbau bis hin zu aktuellen Themen wie der Digitalisierung der Gesundheitsämter oder der Corona-Warn-App. Die Liste der staatlich verursachten digitalen Desaster in Deutschland ist leider viel zu lang.

Auch in unserer Branche ist in Sachen Digitalisierung nicht alles eitel Sonnenschein, so erfordert z. B. die komplette Digitalisierung der Geschäftsprozesse noch eine erhebliche Kraftanstrengung aller Beteiligten. Doch ich wage mal eine Prognose: Das wird schneller gelingen, als dass ich meinen Personalausweis digital beantragen kann.

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Dipl.-Ing. Andreas Stöcklhuber

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