Der dreistufige Vertriebsweg Hersteller-Großhandel-Handwerk ist eines der prägenden Kennzeichen unserer Branche. Doch das Bild ist unvollständig, wie sich jetzt deutlich zeigt. In der ersten Stufe, beim Hersteller, fallen die Produkte nicht vom Himmel, sondern er ist selbst angewiesen auf Zulieferer – von Rohstoffen wie Metallen und Kunststoffen bis zu kompletten Elektronik-Komponenten.
Hier hakt es derzeit gewaltig. So berichteten mir Betriebe aus dem Bereich Elektromobilität davon, dass Wallboxen aktuell nicht vor September / Oktober zu bekommen sind. Das liegt auch an dem durch die 900-€-Förderung der KfW angefachten Boom, aber nicht nur – auch nicht geförderte Typen sind von den Lieferverzögerungen betroffen. Es geht aber auch trivialer: So hat mir ein Betrieb erzählt, dass es aktuell Engpässe bei vierreihigen Verteilern gibt.
Dort, wo aktuell (noch) keine Probleme mit der Materialversorgung bestehen, lauert eine tickende Zeitbombe. Eine Reihe an Herstellern hat die Preise kurzfristig und teils im deutlich zweistelligen Prozentbereich erhöht, weitere Hersteller werden folgen. Hier zeigt sich eine Schattenseite des hohen Auftragsbestands im Elektrohandwerk, der laut einem von der Unternehmensberatung Heckner Ende Februar 2021 erhobenen Stimmungsbild im Durchschnitt bei neun Monaten liegt, in einigen Fällen bei 24 Monaten: Vereinfacht gesprochen bedeuten neun Monate Auftragsvorlauf, dass ich heute das Projekt abarbeite, auf das ich vor neun Monaten geboten habe – auf Basis der damaligen Einkaufspreise.
Kommt es in der Zwischenzeit zu unvorhersehbaren Preissteigerungen im Einkauf, so kann man diese in der Regel nicht an den Kunden weitergeben – die eigene Marge sinkt. Welch dramatische Folgen das haben kann, schilderte mir der Geschäftsführer eines Elektrohandwerksbetriebs kürzlich in einem Telefonat: »Wenn das mit den Preissteigerungen so weitergeht, kann das nach unserer Kalkulation dazu führen, dass unser Gewinn 2021 gleich Null sein wird«. Die Aussage stammt aus einem Unternehmen mit einer dreistelligen Zahl an Mitarbeitern, das man gut und gerne als »Vorzeigebetrieb« bezeichnen kann. Die alte Gewissheit »das Geld wird im Einkauf verdient« hat sich innerhalb weniger Monate in Luft aufgelöst.
Was tun? Der ZVEH bzw. die Landesinnungsverbände halten für ihre Mitglieder ein entsprechendes Merkblatt bereit. Hier ist nicht der Raum, auf dessen Details einzugehen, doch das bittere Fazit lautet: Bei künftigen Verträgen kann man ein – wenn auch löchriges – Sicherungsnetz einfügen, doch bei bestehenden Aufträgen bleibt nicht viel mehr als das Gespräch mit dem Kunden zu suchen.
Gibt es jemand, auf den man mit dem Finger zeigen kann? So richtig »Schuld« an der Situation hat niemand, doch nicht alle werden die Folgen gleichermaßen spüren. Auch wenn bei jeder sich bietenden Gelegenheit die enge Partnerschaft zwischen Industrie, Großhandel und Handwerk betont wird – bekanntlich hört beim Geld die Freundschaft auf. Und das Handwerk steht hier leider ziemlich allein gelassen am Ende der Nahrungskette. Sind Sie auch betroffen? Schreiben Sie hier gerne einen Kommentar.
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