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Ausbildung auf der Überholspur

Nachwuchskonzept für das Elektrohandwerk

Bild 1: Trotz großer regionaler Konkurrenz entscheiden sich viele Jugendliche für eine Ausbildung bei Elektro-Breitling
Bild 1: Trotz großer regionaler Konkurrenz entscheiden sich viele Jugendliche für eine Ausbildung bei Elektro-Breitling

Wer Fachkräfte benötigt, tut gut daran, sie selbst auszubilden. So können Unternehmen sicherstellen, dass den Auszubildenden die erforderlichen Fachkenntnisse vermittelt werden und sie charakterlich optimal zu ihnen passen. Doch was tun, wenn schon die Gewinnung von Nachwuchskräften schwierig ist, weil das eigene Unternehmen in einem aussichtslos scheinenden Wettbewerb gegen weltweit agierende Großkonzerne antritt?

Bild 2: »Bei uns erhält jede Nachwuchskraft ihre Lerninhalte auf dem für sie passenden Niveau sowie die optimalen Werkzeuge für eine erfolgreiche Ausbildung«, erklärt Jörg Veit, Geschäftsführer Personal bei Elektro-Breitling
Bild 2: »Bei uns erhält jede Nachwuchskraft ihre Lerninhalte auf dem für sie passenden Niveau sowie die optimalen Werkzeuge für eine erfolgreiche Ausbildung«, erklärt Jörg Veit, Geschäftsführer Personal bei Elektro-Breitling

Diese Frage stellte sich auch Jörg Veit, Geschäftsführer Personal bei der Elektro-Breitling GmbH, als er 2014 zu dem mittelstän­dischen Dienstleister für Elektrotechnik, -installation und -service in Holzgerlingen kam. »In der Region Stuttgart sind viele Global Player, wie z. B. Daimler, Porsche oder Bosch ansässig. Zu meinen Anfangszeiten griffen diese Konzerne nahezu alle Auszubildenden der Region ab. Es gibt hier jährlich Veranstaltungen wie z. B. die ‚Nacht der Ausbildung‘, bei der die Jugendlichen ein Unternehmen ihrer Wahl besuchen können. Von 400 Interessenten fuhr damals etwa die Hälfte direkt zu Daimler. Den Rest teilten wir uns mit den anderen Unternehmen«, so Veit (Bild 2).

Diese Situation wollte Veit so nicht hinnehmen. Gemeinsam mit seinen Kollegen entwarf er ein Konzept, mit dem Elektro-Breitling als Arbeitgebermarke und Top-Ausbilder in der Region etabliert und damit für Nachwuchskräfte als attraktive Alternative zu den Global Playern aufgestellt werden sollte.

Vielschichtiges Recruiting

Der erste wichtige Baustein des Konzepts zur Nachwuchsgewinnung ist eine breit angelegte crossmediale Kampagne. Diese umfasst ­eine Vielzahl von Maßnahmen von der Ausbildungsbroschüre über Rundfunkinterviews und Kinowerbung bis hin zum eigenen Youtube-Kanal. Darüber hinaus nimmt das Unternehmen an regionalen Veranstaltungen und Aktionen wie Azubi-Speed-Dating, Azubi-Messen, Tour de Handwerk oder der bereits erwähnten Nacht der Ausbildung teil. Abgerundet wird das Engagement durch Schulpartnerschaften und Projekte wie die Girls‘ Digital Camps oder Smart Home in der Schule, in denen die Jugendlichen digitale Themen und Berufe von der praktischen Seite kennenlernen.

Hinzu kommt ein umfangreiches Praktikumsangebot in den verschiedenen Berufen des Unternehmens. »Wir haben jedes Jahr über 50 Praktikanten, die im Rahmen der Berufsorientierung über die Initiativen BORS oder BOGY bei uns sind«, so Ausbildungsleiter Ralf Englert. Das Engagement in der Berufsorientierung konnte in Zeiten der Pandemie nicht im gewünschten Umfang fortgeführt werden. Das Unternehmen versuchte aber durch die Teilnahme an entsprechenden Online-Formaten Abhilfe zu schaffen.

»Uns war klar, dass wir uns bei der Anwerbung von Auszubildenden deutlich stärker engagieren und den jungen Menschen verdeutlichen müssen, dass eine Karriere im Handwerk die gleichen Chancen bietet wie in der Indus­trie. Und dass wir weiterhin Rahmenbedingungen für die Bereiche Ausbildung und Personalentwicklung bereitstellen müssen, die uns von anderen Unternehmen abheben«, konkretisiert Veit.

Optimales Lernumfeld

Diese herausragenden Rahmenbedingungen schuf Elektro-Breitling im Jahr 2016 mit der Eröffnung des Elektro Bildungs- und Innovations-Centers (Ebic). Auf fast 400 m2 Fläche bietet der zentrale Anlaufpunkt für die Aus- und Weiterbildung optimale Voraussetzungen, um Berufseinsteiger und Profis zielgerichtet fortzubilden.

Neben einem Schulungsraum umfasst das Gebäude eine Werkstatt, einen IT-Bereich sowie Übungsräume mit Montagewänden und Messtechnik (Bild 3).

Bild 3: An den Montagewänden des Elektro Bildungs- und Innovations-Centers (Ebic) können die Nachwuchskräfte üben und sich gezielt auf Prüfungen vorbereiten
Bild 3: An den Montagewänden des Elektro Bildungs- und Innovations-Centers (Ebic) können die Nachwuchskräfte üben und sich gezielt auf Prüfungen vorbereiten

»Das Ebic gibt uns die Möglichkeit, unsere Nachwuchskräfte in praxisrelevanten Themen zu schulen, die in der überbetrieblichen Ausbildung gar nicht gelehrt oder nur angerissen werden«, bekräftigt Englert. »Darüber hinaus können wir auf den individuellen Lernbedarf der Auszubildenden reagieren. Stellen wir beispielweise fest, dass jemand Verständnisprobleme in der Steuerungstechnik hat, gehen wir diese Thematik noch einmal gemeinsam an. An den Montagewänden können sich unsere Auszubildenden optimal auf ihre Prüfungen vorbereiten.«

Individuelle Förderung und Praxisnähe von Anfang an

Nicht weniger wichtig als das Lernumfeld ist das flexible und praxisorientierte Konzept der innerbetrieblichen Ausbildung. So gibt es bei Elektro-Breitling keinen starren Themenplan, sondern wöchentliche Kurse, deren Inhalte auf den aktuellen Bedarf abgestimmt sind. Dem Unternehmensnachwuchs stehen zwei hauptberufliche Ausbilder sowie drei Teilzeitkräfte zur Verfügung – vor Ort und bei dringenden Fragen auch am Expertentelefon (Bild 4).

Bild 4: In flexibel ansetzbaren wöchentlichen Kursen werden Ausbildungsinhalte vertieft und neue Themen besprochen
Bild 4: In flexibel ansetzbaren wöchentlichen Kursen werden Ausbildungsinhalte vertieft und neue Themen besprochen

Um eventuelle Schwächen zu beseitigen und Stärken zu fördern, erstellen die EB-Coaches gemeinsam mit den Auszubildenden einen individuellen Förderplan. Der Lernstand wird über elektronische Berichtshefte überwacht und die Bewertung der Jugendlichen erfolgt standardisiert über ein eigens hierfür entwickeltes Online-Werkzeug. Auf diese Weise erhält die Ausbildungsabteilung frühzeitig Hinweise auf Lern- und Verständnisprobleme, kann Fördermaßnahmen gezielt ansetzen und die Auszubildenden stärker in die eigene Verantwortung nehmen – etwa durch Feedbackgespräche oder Lernentwicklungsvereinbarungen.

Zudem sollen die Auszubildenden sehr früh an die Praxis herangeführt werden. »In einer dreiwöchigen Grundausbildung behandeln wir Themen wie Maschinen und Werkzeuge, Grundschaltungen oder die Verdrahtung von Elektrokleinverteilern. Dadurch besitzen die Jugendlichen bereits eine gewisse Vorbildung, wenn sie zum ersten Mal auf die Baustelle kommen. Das kommt vor allem bei unseren Monteuren sehr gut an. Seitdem wir diese Grundausbildung machen, habe ich den Satz ‚Den kann ich nicht gebrauchen, weil er noch nichts kann‘ nicht mehr gehört«, erläutert Englert.
Die Arbeitsabläufe auf der Baustelle simuliert Elektro-Breitling mithilfe eines Musterhauses. Hier können die Auszubildenden Schlitze fräsen, mit dem Laser arbeiten, Kabel ziehen, Messungen vornehmen oder mit Befestigungstechnik experimentieren. Hier machen nicht nur die angehenden Elektroniker, sondern auch die Technischen Systemplaner begeistert mit.

Blick nach vorn

Von der Flexibilität und der gezielten Förderung in der Ausbildung profitieren nicht nur die ausführenden Nachwuchskräfte, sondern auch diejenigen, die in der Planung tätig sind. »Auch mit unseren angehenden Technischen Systemplanern erarbeiten wir schon früh praxisrelevante Themen wie etwa das Platzieren von Schaltern. Anschließend vertiefen wir diese Punkte, indem wir die entsprechenden Normen und Richtlinien vorstellen«, erklärt Englert. »Dabei arbeiten wir ausschließlich mit digitalen Werkzeugen. Ein wichtiger Baustein ist hier die Planungssoftware DDS-CAD. Sie bietet sehr viele nützliche Funktionen für den Elektrobereich, ermöglicht den Auszubildenden aber auch einen schnellen Einstieg, weil sie einfach zu handhaben ist. Dadurch können wir auch einen Schritt weiter gehen und Themen behandeln, die in der überbetrieblichen Ausbildung im ersten Lehrjahr noch nicht unterrichtet werden« (Bild 5).

Bild 5: Sowohl in der Ausbildung als auch später in der täglichen Arbeit arbeiten die technischen Systemplaner mit DDS-CAD Elektro. Die hochwertige Softwarelösung ermöglicht die Planung der gesamten elektrotechnischen Gebäudeausrüstung und ist dabei leicht zu handhaben
Bild 5: Sowohl in der Ausbildung als auch später in der täglichen Arbeit arbeiten die technischen Systemplaner mit DDS-CAD Elektro. Die hochwertige Softwarelösung ermöglicht die Planung der gesamten elektrotechnischen Gebäudeausrüstung und ist dabei leicht zu handhaben

Zugleich ist es den Verantwortlichen bei Elektro-Breitling wichtig, den Nachwuchs zukunftsorientiert auszubilden. Im Hinblick auf die technische Systemplanung genügt es daher nicht, den PC anstelle von Stift und Papier zu verwenden. Vielmehr setzen Englert und seine Kollegen auch auf DDS-CAD wegen seiner umfangreichen BIM-Funktionalität. »Ich trimme die Auszubildenden schon früh auf die Software, um ihnen die Vorteile der DDS-CAD gegenüber anderen Programmen aufzuzeigen und sie für die Software zu begeistern«, ergänzt Englert. »DDS-CAD ist offen konzipiert, besitzt viele Schnittstellen zu anderen Lösungen und wir können mit anderen Gewerken effektiv zusammenarbeiten. Für unsere Auszubildenden ist es natürlich auch sehr spannend, ihre Planungsfortschritte in 3D zu sehen.«

Nächster Schritt: BIM

Mit der digitalen Planung trifft das Unternehmen bei den Jugendlichen voll ins Schwarze. So berichtet Englert, dass sich die jungen Systemplaner selbständig tiefer in die Software einarbeiten und vor allem das Thema BIM zunehmend für sich entdecken. Auf diese Weise können sie sehr frühzeitig vollintegriert in der Abteilung mitarbeiten und erste kleinere Projekte übernehmen (Bild 6).

Bild 6: Weitere Pluspunkte der Planungssoftware sind die umfangreiche BIM-Funktionsausstattung sowie die Möglichkeit, die eigene Planung in 3D zu visualisieren
Bild 6: Weitere Pluspunkte der Planungssoftware sind die umfangreiche BIM-Funktionsausstattung sowie die Möglichkeit, die eigene Planung in 3D zu visualisieren

»Die Eigeninitiative und das große Interesse der Auszubildenden an BIM ist sehr wichtig für uns, da sich die Arbeitsmethode aus unserer Sicht über kurz oder lang durchsetzen wird«, erläutert Geschäftsführer Jörg Veit. »Wir haben deshalb eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich explizit mit dem Thema befasst. Unser Ziel ist es, uns mittelfristig auch als BIM-Dienstleister zu etablieren. Die hierfür erforderliche Software haben wir bereits. Nun liegt es an uns, das Unternehmen in diese Richtung weiterzuentwickeln.«

Nachhaltige Qualifizierung

Auch nach der erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung gibt es bei Elektro-Breitling keinen Karrierestillstand. Das Unternehmen veranstaltet regelmäßige Bildungsveranstaltungen für alle Beschäftigten, in denen aktuelle Praxisprobleme und Neuerungen der Branche aufgegriffen werden. »Wenn wir beispielsweise feststellen, dass noch wichtige Fragestellungen im Bereich der digitalen Planung offen sind, nehmen wir Kontakt mit Data Design System (DDS) auf und stimmen die entsprechenden Schulungsinhalte ab. Diese werden unseren Mitarbeitenden dann im Rahmen einer DDS-CAD-Schulung vermittelt. Das funktioniert hervorragend«, fügt Englert an.

Auf individueller Ebene arbeitet Elektro-Breitling mit Qualifizierungsplänen. Diese enthalten die Fortbildungsmaßnahmen, welche die Beschäftigten auf ihrem Karriereweg durchlaufen müssen. So möchte das Unternehmen seine Mitarbeitenden entweder zu Spezialisten in einem bestimmten Tätigkeitsfeld oder zu Führungskräften weiterentwickeln. Alle Qualifikationen und besuchten Seminare werden in einer Skill-Card eingetragen.

Fazit

Zeitgemäßes Recruiting, eine hochwertige Ausbildung in einem professionellen Umfeld, Karrierechancen durch eine zielgerichtete Personalentwicklung sowie zukunftsorientiertes Denken und Handeln – diese Maßnahmen sind der Grund dafür, dass sich immer mehr junge Menschen für eine Ausbildung bei Elektro-Breitling entscheiden. Die Zahl der Bewerbungen ist von 20 im Jahr 2014 auf 196 im Jahr 2020 angestiegen. Derzeit beschäftigt das Unternehmen etwa 50 Auszubildende in den Berufsbildern Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik, Elektroniker für Telekommunikations- und Informationstechnik, Informationselektroniker, Fachinformatiker, Büromanagement, Einzelhandel sowie Technischer Systemplaner.

»Unser Ziel ist es, jeder Nachwuchskraft die passenden Inhalte auf dem für sie passenden Niveau bereitzustellen«, fasst Veit zusammen. »Das funktioniert natürlich nur mit qualifizierten Lehrkräften, die ein umfassendes Ausbildungscontrolling umsetzen können. Zusätzlich stellen wir den Jugendlichen immer das optimale Werkzeug für ihre jeweilige Tätigkeit zur Verfügung. Dies gilt auch im Bereich Software, wo wir bewusst auf eine zukunftsorientierte Lösung setzen.«

Diese Maßnahmen zahlen sich aus: In den letzten Jahren brachte Elektro-Breitling 16 Preisträger, zwei Kreissieger und zwei Kammersieger hervor. Und von Wettbewerbsnachteilen gegenüber den Großkonzernen spricht heute niemand mehr.

Deutscher Unternehmerpreis Elektrohandwerk 2022

Erfolgreiche Elektrohandwerksunternehmer können sich seit dem 1.7.2021 für ­den Deutschen Unternehmerpreis Elektrohandwerk 2022 bewerben.

Unter www.elektro.net/upe können Bewerbungsunterlagen angefordert werden. Dies kann auch direkt per E-Mail an redaktion@elektro.net oder per Telefon: (089) 2183-8981 erfolgen.

Bewerbungsschluss ist der 30.11.2021.

Der Deutsche Unternehmerpreis Elektrohandwerk 2022 wird unterstützt von

 

 

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Über den Autor
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Stefan Lehmköster

Data Design System GmbH, Ascheberg

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Ascheberg
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