Klimaschutz ist weltweit in aller Munde und so will auch Deutschland die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber 1990 senken, bis zum Jahr 2050 sind sogar bis zu 95 % angepeilt. Neben dem Einsatz erneuerbarer Energien und dem Ausbau der Elektromobilität spielt hierbei die Energieeffizienz eine wesentliche Rolle. Etwa 47 % des gesamten Stromverbrauchs gehen laut ZVEI auf die Industrie, 70 % davon entfallen auf elektrische Antriebe (Bild 1). Durch den Einsatz von Drehzahl-Regelung mit Frequenzumrichter und energieeffizienten Motoren lassen sich jährlich 19 % Energie einsparen.
Allein der Bereich Motoren birgt also ein enormes Potenzial. Sind doch in der EU etwa acht Milliarden Elektromotoren im Einsatz: von kleinen Motoren für den Betrieb von Kühlventilatoren in Computern bis hin zu sehr großen Motoren für die Schwerindustrie.
Neue Ökodesign-Verordnung
Zum 1. Juli dieses Jahres ist die Effizienzklasse IE3 verpflichtend für 3-phasige Elektromotoren mit einer Nennleistung zwischen 0,75 … 1000 kW. Ab dem 1. Juli 2023 müssen sie bei einer Nennleistung zwischen 75 … 200 kW sogar IE4 aufweisen. Für Frequenzumrichter ist seit 1. Juli 2021 die Effizienzklasse IE2 verpflichtend. Etwa 420 Mio. Elektromotoren fallen unter die neue Verordnung.
Die Verordnung ist auch die erste Regulierung, bei der die Dokumentation digital erfolgt. Künftig können die weiterführenden Konformitätsinformationen außer in Papierform auch über einen QR-Code zugänglich gemacht werden. Und: In einem Schaltschrank eingebaute Frequenzumrichter müssen nicht noch einmal betrachtet werden, wenn sie schon konform sind. Für einen Maschinenbauer ist das ein wesentlicher Punkt, denn er muss die neue Regulierung nicht mehr auf seinen Schaltschrank anwenden.
Fragen an Dr. Volker Lindenau
Der Einsatz von effizienten Elektromotoren und Frequenzumrichtern (FU) ist eine der wichtigsten Stellschrauben für mehr Energieeffizienz in der Industrie. Dr. Volker Lindenau ist Leiter des Geschäftsbereichs Antriebstechnik bei ABB Deutschland (Bild 2). Die Perspektive, jährlich – nach Inkrafttreten der neuen Verordnung – den Energiebrauch der kompletten Niederlande einzusparen, ist für ihn nicht zu optimistisch gewählt. Wir trafen uns zu einem Gespräch.
»ema«: Herr Dr. Lindenau, wo sehen Sie persönlich die größten Einsparpotenziale im Bereich von Elektromotoren?
V. Lindenau: Die meiste Energie wird in industriellen Applikationen umgesetzt. Von der Leistung der Motoren bewegen wir uns da in einem Spektrum von einigen bis zu mehreren 100 kW. 68 % davon entfallen auf Motoren mit einer Nennleistung zwischen 0,75 kW und 375 kW. Kleine Motoren unter 750 W machen 90 % des Elektromotorenbestandes aus, haben aber nur einen Anteil von 9 % am gesamten Stromverbrauch. Mengenmäßig bilden große Motoren mit Leistungen über 375 kW den geringsten Anteil, machen aber dennoch 23 % des Energieverbrauchs aus.
Alleine durch den Austausch von Motoren – von beispielsweise IE1 zu IE 4 – kann man ca. 40 % Energie einsparen. Nimmt man jetzt noch einen Frequenzumrichter und einen IE5-Motor hinzu, bekommen wir eine Einsparung in der Größenordnung von vielleicht 60 … 70 %. Das ist schon ein sehr großer Hebel, den man hier bewegen kann.
»ema«: Bleiben wir noch kurz beim kompletten Antriebssystem, bestehend aus einem FU und einem passenden Motor. Wie unterstützt ABB z. B. einen Elektromaschinenbauerbetrieb, der für einen Kunden ein bestmögliches System anbieten möchte?
V. Lindenau: Die tatsächliche Verlustleistung eines FU oder Motors lässt sich mit einem unserer Werkzeuge relativ einfach beziffern. Es nennt sich »Drivesize«, und hier kann der Anwender beispielsweise sehen, welche Verlustleistungen unter Teil- oder Volllast auftreten, er kann die Komponenten abgestimmt aufeinander auslegen und die Frage beantworten, welche Netzrückwirkungen durch den FU auftreten können.
Wir bieten außerdem durch unsere Betreuung im Außendienst, Service oder durch Applikationsingenieure den Support, den der Kunde benötigt. Der Vorteil für einen Elektromaschinenbauer ist ja, dass er oder sie ein Grundverständnis für die Zusammenhänge mitbringt, sodass wir über unseren Mitarbeiter und eventuelle Schulungen sehr schnell zu einem befriedigenden Ergebnis für den Kunden kommen.
»ema«: Die vorausschauende Wartung mit passenden Sensoren ist sehr zeitgemäß und ein weiterer Hebel, den man zur Energieeinsparung nutzen kann. Gleichsam ist Anbindung an ein Netzwerk u. U. mit Risiken verbunden. Wie kann der Elektromaschinenbauer seinem Kunden die Sorge nehmen, womöglich einem Hackerangriff zum Opfer zu fallen?
V. Lindenau: Man sollte hier immer differenzieren, ob man Betriebs- oder Steuerungsdaten vorliegen hat. Wenn ich unseren »Smart Sensor« betrachte, dann ist das ein lesendes Bauteil. Hier gibt es z. B. die Aussage, dass es gerade warm ist oder etwas mit einer bestimmten Frequenz vibriert. Selbst wenn sich also ein Angreifer hier einhacken sollte, dann weiß derjenige, dass der Motor warm ist oder gerade dreht. Er kann aber nicht sagen »Motor drehe schneller«, so dass ein Schaden entstehen oder die gesamte Applikation außer Kraft gesetzt werden könnte.
Es gibt natürlich über eine Steuerungsarchitektur andere Risiken, die wir mit Firewalls und Einhalten der gängigen Anforderungen aus den Produkt- und Prozesszertifikaten absichern können.
»ema«: Herr Dr. Lindenau, vielen Dank für das Gespräch.