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Aufnahmen automatisch auswerten

Intelligente Bildanalyse in der Videoüberwachung

Dallmeier Bildanalyse
Bild 1: Der Einsatz von KI in der Videoanalyse reduziert die Fehlalarme am Perimeter, zur Leitstelle werden nur relevante Alarme weitergeleitet
(Bild: Dallmeier electronic)

Gleich vorab: Künstliche Intelligenz (KI) hieße, dass eine Software völlig autark von menschlicher Programmierung durch eine Nachempfindung menschlicher Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität abgewogene Entscheidungen trifft. Auffassungen, was genau man unter KI versteht, gibt es viele, doch laut Wikipedia mangelt es bereits an einer genauen Definition des Begriffes »Intelligenz«. Kollege Computer kann uns zwar Entscheidungen nach definierten Algorithmen abnehmen, aber ein künstlich erschaffenes Gehirn hat meines Wissens nach niemand auf dem Seziertisch oder in der Cloud.

Dies soll die Begrifflichkeiten abgrenzen, aber die Leistungen, die findige Entwickler im Bereich der Videoüberwachungsanalyse erbringen, keinesfalls schmälern. Denn was sich hier aktuell entwickelt hat, erleichtert vielen Menschen, die mit der Sicherung von Gebäuden und dem Schutz von Personen beauftragt sind, ihre Arbeit immens.

Eigenständig verifizieren

War es früher mit klassischer Bildverarbeitung noch ein hoher Aufwand, einen sich im Wind bewegenden Baum zuverlässig als Falschalarm zu erkennen, erledigt dies heute eine KI ohne Probleme. Die Videoanalyse schafft erstmals die Möglichkeit einer teilweisen »Automatisierung« der Verifikation im Perimeterschutz. Kamerasysteme, die oftmals ohnehin für die Bestätigung von Ereignissen vorhanden sind, übernehmen die gesamte Detektionsaufgabe. Dazu müssen im System die Grundfunktionen der Video­analyse vorhanden sein, die einen Alarm auslösen, sobald ein Eindringen festgestellt wird. Als Beispiel sind hier »Intrusion Detection« (Erkennung von Eindringlingen) oder »Line Crossing« (Erkennung einer Grenzüberschreitung) zu nennen (Bild 1).

Der Kamerahersteller Dallmeier bietet dazu eine Lösung, die durch klassische Videoanalyse erzeugte Voralarme – inklusive der üblichen Fehlerquellen wie sich bewegende Zweige, Tiere oder schnelle Veränderungen bei den Lichtverhältnissen – über eine zweite Analysestufe mittels neuronaler Netze überprüft. In der »KI-Engine« ist eine bestimmte Erkennungswahrscheinlichkeit definiert, und nur Alarme, die diesen Wert überschreiten, werden überhaupt an die Einsatzzentrale zur Verifizierung weitergeleitet. Erfahrungen aus ersten Kundeninstallationen zeigen eine Reduktion der Fehlalarme auf nahezu Null und damit einen wesentlich geringeren Aufwand bei der Nachverfolgung von Alarmen.

Securiton Bildanalyse
Bild 2: Die intelligente Videobildanalyse »Motion Detection« erkennt sich bewegende Objekte innerhalb vordefinierter Bereiche
(Bild: Securiton/IPS)

Ereignisse in Kamerabildern erkennen

Die Firma Securiton stellt mit ihrer Technologiemarke »IPS Intelligent Video Software« die automatische Ereigniserkennung und Echtzeitalarmierung anhand von Kamerabildern in den Vordergrund. Deren intelligente Videobildanalyse deckt bereits ein breites Spektrum an Anwendungen ab. Dazu zählen:

  • Bewegungsdetektion, die Aktivitäten im Überwachungsbereich erkennt (Bild 2)
  • Objektverfolgung mit Erkennung und Verfolgung sich bewegender Objekte innerhalb des Überwachungsbereichs
  • Sicherung des Grundstücks und Detektion von unbefugtem Zutritt wie mit »IPS Outdoor Detection«
  • Auswertung der Verweildauer und Erkennung unerwünschter Personen in einem definierten Geländebereich (Bild 3)
  • Sabotageschutz samt Erkennung von Manipulationsversuchen an Kameras wie Verdecken, Verdrehen, Zusprühen oder Blenden
  • Schutz der Privatsphäre durch Verpixelung sensibler Bereiche oder Personen.

Hierbei kommen Machine-Learning-Technologien zum Einsatz, ein Teilbereich der Künstlichen Intelligenz. Das maschinelle Lernen versetzt Computer in die Lage, anhand vorhandener Daten und Algorithmen Gesetzmäßigkeiten und Muster zu erkennen und Lösungen daraus abzuleiten. Die aus den Daten gezogenen Ergebnisse werden verallgemeinert und für die Analyse neuer Daten verwendet. So können Personen, Gesichter oder Fahrzeuge unterschieden werden. Damit der Rechner diese Leistung erbringen kann, muss er von Menschen mit Datensätzen und extrahierten Bildeigenschaften angelernt sowie mit Algorithmen und Regeln zur Datenanalyse ausgestattet werden.

Einen Schritt weiter geht das Deep Learning, bei dem neuronale Netze mit eigenen Ableitungen und der automatischen Extraktion von Eigenschaften aus Daten entstehen. Um dorthin zu gelangen, sind jedoch viel Zeit und Rechenleistung nötig – man geht von mindestens einer Million beschrifteter Trainingsdaten aus.

Securiton-IPS Bildanalyse
Bild 3: Das Videobildanalysemodul »Loitering Detection« erkennt auf dem Grundstück herumlungernde Personen
(Bild: Securiton/IPS)

Computer verstehen den Kontext nicht

Dass das Konzept der eingebetteten KI in Form von selbstlernenden Systemen weiter in den Vordergrund rücken wird und das Potenzial von Machine- und Deep-Learning in der Videobranche groß ist, sieht man auch bei Axis Communications. Durch Deep-Learning-Anwendungen verbessert sich die Videobewegungs- und Gesichtserkennung, das individuelle Tracking sowie die Quote zur Vermeidung von Fehlalarmen. Auch könnte langfristig »Predictive Analytics«, Vorhersagen zur Verhinderung von Zwischenfällen, herangezogen werden: von terroristischen Angriffen über Arbeitsunfälle und Verkehrsprobleme bis zum Ladendiebstahl. Gleichzeitig erkennt man aber, dass dem Computer die Abstraktions- und Wahrnehmungsfähigkeit des Kontextes eines Menschen fehlt: Rennt die Frau, weil sie den Bus kriegen möchte, oder weil sie eine Bank ausgeraubt hat?

Dank edge-basiertem Deep Learning können Kameras aber z. B. Falschfahrer im Straßenverkehr erkennen und ein Auto von einem LKW (Objektklassen) unterscheiden. Auch Audioanalysen, die Schüsse oder das Geräusch von zerbrechendem Glas erkennen, sind möglich.

Detaillierte Objektklassifizierung

Mit seiner Lösung »Axis Object Analytics« hat das Unternehmen eine intelligente Videoanalysefunktion im Portfolio, die Personen und Fahrzeuge im Rahmen der Überwachung von öffentlichen Gebäuden, Parkplätzen oder unbeaufsichtigten Bereichen umfasst. Über eine Benutzeroberfläche können mit wenigen Klicks Szenarien eingerichtet und Auslösebedingungen für Alarme ausgewählt werden, z. B. ein Objekt, das einen Bereich betritt oder eine virtuelle Linie überquert (Bild 4).

Axis Bildanalyse
Bild 4: Die Auslösebedingungen für Alarme können individuell definiert werden, in diesem Fall durch einen Fußgänger im überwachten Bereich
(Bild: Axis Communications)

Die Erfassungs- und Klassifizierungsfunktionen von »Axis Object Analytics« variieren je nach Kameratyp. Bei Kameras mit einer Verarbeitungseinheit für maschinelles Lernen (Machine Learning Processing Unit) können Personen und Fahrzeuge klassifiziert werden. Bei Kameras mit einer Verarbeitungseinheit für tiefes Lernen (Deep Learning Processing Unit) können Personen und Fahrzeuge sowie verschiedene Fahrzeug­typen wie Autos, LKW, Busse und Motorräder klassifiziert werden. Diese detailliertere Objektklassifizierung eignet sich für verkehrsreichere Szenen und anspruchsvollere Überwachungsanforderungen.

Vorausschauende Lösungen

Bosch Bildanalyse
Bild 5: Bosch-Kameras der Serie »MIC Inteox 7100i« besitzen eine integrierte Künstliche Intelligenz

(Bild: Bosch)

Funktionen wie die Objekterkennung und -klassifizierung in überfüllten Szenen sowie die Verkehrsüberwachung für Kreuzungen, Autobahnen und Tunnel hat auch Bosch im Portfolio. Die Kameras der Serie »MIC Inteox 7100i« (Bild 5) unterstützen vorausschauende Lösungen mit integrierter KI. Dazu gehören die Kameratrainer-Funktion mit maschinellem Lernen und die Videoanalyse basierend auf neuronalen Netzen. Diese integrierten KI-Funktionen ermöglichen es den Kameras, zu »verstehen«, was sie sehen, und den erfassten Videodaten mit Metadaten Sinn und Struktur zu verleihen. Dieser Prozess ist ein erster Schritt, um Videodaten in verwertbare Informationen umzuwandeln und vorausschauende Lösungen zu entwickeln, die Anwendern dabei helfen, unvorhergesehene Ereignisse zu antizipieren und diese zu verhindern.

In städtischen Überwachungsanwendungen können die Kameras Auffälligkeiten im Verhalten erkennen, Dichtedaten bereitstellen und Verkehrsteilnehmer präventiv vor Gefahren warnen. Die entsprechenden Objektklassifizierungsmodelle (OC) wurden speziell für Anwendungen im Bereich »Intelligente Transportsysteme« entwickelt. Sie bieten mit dem »Traffic Detector« ein zusätzliches Videoanalyse-Feature, das hilft, Autos in verkehrsreichen Situationen detailgenau zu unterscheiden und zu klassifizieren. Mögliche Störungen durch Fahrzeugscheinwerfer oder Schatten werden herausgefiltert. Die Informationen, die der »Traffic Detector« der Kameras liefert, helfen dabei, das Fahrzeugaufkommen auszuwerten, um z. B. bei der Überwachung von Kreuzungen die Ampeln zu steuern und den Verkehr flüssig zu halten.

Gesichter abgleichen und zuordnen

Panasonic Bildanalyse
Bild 6: Kamerasysteme mit intelligenter Gesichtserkennung gleichen ihre Bilder mit dem Archivmaterial gesuchter Personen ab

(Bild: Panasonic i-Pro EMEA)

Beim Thema Gesichtserkennung tun wir uns hierzulande aufgrund von Datenschutzbedenken traditionell schwer. Das heißt jedoch nicht, dass es keine sinnvollen Lösungen gibt.  Ein Beispiel dafür ist die kamerabasierte Gesichtserkennung im Fußballstadion, mit der aggressive Fans »aussortiert« werden können. Die Firma Panasonic i-Pro EMEA hat im Stadion des dänischen Profifußballvereins Brøndby IF mit »Facepro« ein Gesichtserkennungssystem mit Deep-Learning-Technologie installiert, das bekannte Unruhestifter identifiziert und daran hindert, das Stadion zu betreten.

Personen, die bei Verstößen gegen die Stadionregeln gefasst wurden, erhalten ein Besuchsverbot und werden auf eine schwarze Liste gesetzt. Wenn das System das Gesicht einer Person am Eingang mit der schwarzen Liste abgleicht und einen Treffer erzielt, wird eine Echtzeit-Benachrichtigung an das Personal im Überwachungsraum des Stadions und nach Bestätigung an das Sicherheitspersonal am Eingang gesendet, dass die Person das Stadion nicht betreten darf.

Auf der Kameraseite (Bild 6) wird eine so genannte »Best-Shot«-Funktion verwendet, um automatisch die am besten geeigneten Gesichtsaufnahmen für die Analyse auszuwählen. Die dazugehörige Software ermöglicht präzise Kontrollen selbst im Freien, wo teilweise ungünstige Lichtverhältnisse herrschen. Gleiches gilt bei Schrägansichten des Gesichts, wie bei einer Drehung des Gesichts um 45° nach rechts oder links oder um 30° nach oben und unten, unter Berücksichtigung von Alterungsprozessen, oder wenn das Gesicht teilweise durch eine Sonnenbrille oder eine Maske verdeckt ist. »Facepro« soll auf diese Weise etwa fünf Millionen Gesichter in drei Sekunden auswerten können.

Um den Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gerecht zu werden, werden die Daten von der Kamera verschlüsselt und zum anderen die Bilder und Daten von Personen, die nicht auf der schwarzen Liste eingetragen sind, nicht gespeichert. Zudem wurde die Liste der regis­trierten gesperrten Personen auf einem Server hinterlegt, der sowohl für das Internet als auch andere externe Systeme gesperrt ist.

Gesichtserkennung kommt bereits bei der Überwachung öffentlicher Einrichtungen und bei der Passkontrolle an Flughäfen zum Einsatz. Videokamerasysteme erkennen Farben, Gesichtsausdrücke und teilverdeckte Gesichter von vermummten Personen. KI-gestützte Videosysteme sind in der Lage, verdächtig erscheinende Personen zu »taggen«, also über einen längeren Zeitraum – bis sich ein Verdacht bestätigt – im Blick zu behalten. KI-gestützte Verhaltensanalysen können stark alkoholisierte Personen erkennen. Doch auf eine wirklich eigenständige Künstliche Intelligenz müssen wir wohl noch etwas warten.

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Über die Autorin
Autorenbild
Britta Kalscheuer

Redaktion »de«

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