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Kooperation von Schüco und Dormakaba

Digitalisierung von Türen und Gebäuden

Dormakaba-Schüco Digitalisierung
Bild 1: Alexander Bradfisch (links) ist Senior Vice President Global Marketing & Products von Dormakaba, Joachim Gau ist Leiter der Business Unit Smart Building bei Schüco – die beiden Unternehmen kooperieren bei der Tür- und Gebäudedigitalisierung
(Bild: Anja Jahn / Schüco International KG)

»de«: Schüco dürfte vielen Lesern vor allem durch seine Fenster und Türen bekannt sein, was macht das Unternehmen für das Elektrohandwerk interessant?

J. Gau: Wir alle in der Baubranche haben die Aufgabe, Gebäude zu errichten, die nachhaltig und energieeffizient sind, die ein sicheres, gesundes Leben und Arbeiten ermöglichen. Was sich einfach anhört, ist in der Praxis oft komplexer als gedacht. Wenn es draußen kalt und drinnen warm ist: Wann lüfte ich richtig und wie lange? Immerhin haben 20 % der Haushalte Schimmelprobleme und die wenigsten machen sich Gedanken über die Raumluftqualität. Wenn wir zukünftig nicht mehr so viel heizen, wird dieses Problem weiter zunehmen.

Wir wollen nicht nur die Gesundheit der Menschen und die Bausubstanz schützen, sondern gleichzeitig Energie sparen und nicht zum Fenster heraus heizen. An diesem Punkt kommen unsere dynamischen Gebäudehüllen ins Spiel, bestehend aus Fenstern, Türen, Fassaden und Sonnenschutz, die sich auf Basis von Sensoren automatisch so anpassen, sodass ein optimaler Ausgleich zwischen Außen und Innen stattfindet.

»de«: Wie kommt es dazu, dass ein Hersteller mechanischer Lösungen die Themen Vernetzung und Digitalisierung aufgreift?

J. Gau: Solche elektronisch gesteuerten Lösungen können den Menschen gut unterstützen. Auch digital kontrollierte Türen, Zugangskontrolle und Rauch-Wärme-Abzugssysteme basieren nicht nur auf aktueller Sensorik, sondern auch auf Vernetzung. Denn was dynamisch und intelligent sein soll, muss gesteuert werden. Natürlich haben wir eigene Apps, aber Kunden möchten oft auch ihr Licht oder Multimedia in die Steuerung einbinden, das macht die Vernetzung in ein Gesamtgewerk notwendig. Wir haben Produkte im Portfolio, die der Metallbauer baut, und die das Elektrohandwerk intelligent vernetzt.

Wir haben aber auch Produkte wie Türstationen und Intercom-Systeme, Sensoren und Lüftungssysteme, die man nachrüsten kann und die das Elektrohandwerk auch direkt, ohne Metallbau, vermarkten kann. Hier besteht die Chance für das Elektrohandwerk, seine Kompetenz zu erhöhen und smarte Fassaden und Gebäude anzubieten, die den Umsatz pro Projekt erhöhen. So bekommt der Bauherr genau die Lösung vom Elektriker, die er haben will, und der Elektrohandwerksbetrieb profitiert davon, wenn er die dynamische Gebäudehülle mit in sein Kompetenzportfolio aufnimmt. Meine Vision ist, dass wir mit Schüco im Elektrohandwerk so stark werden, wie wir es im Metallbauhandwerk heute schon sind. Es wird sicherlich nicht morgen früh so weit sein, aber das ist das Ziel.

»de«: Ein Schritt dorthin könnte die strategische Partnerschaft sein, die Schüco und Dormakaba Mitte 2022 bekannt gaben. Wie kam es zu der Zusammenarbeit und was versprechen Sie sich davon?

Senstrack-wireless Digitalisierung
Bild 2: Der »Schüco Senstrack wireless« erkennt und informiert die Bewohner kabellos über den Verriegelungszustand eines Fensters

(Bild: Schüco International KG)

A. Bradfisch: Wir hatten im Rahmen unseres Lieferantenverhältnisses sowieso bereits eine langjährige Beziehung zu Schüco aufgebaut und uns intensiv ausgetauscht. Und beide Firmen haben in den letzten Jahren intensiv in die Digitalisierung investiert. In meine Zuständigkeit fällt zum Beispiel die Business Unit »Entriworx« und damit die Digitalisierung unserer Produkte sowie die Anbindung an Gebäudemanagementsysteme. Als wir diese vernetzte Lösung von der Planung über die Ausführungsplanung, die Installation bis hin zum Ansteuern der Türen im Gebäudebetrieb entwickelt haben, sind wir einen Schritt weitergegangen.

Durch die Partnerschaft können wir die Stärken beider Unternehmen vereinen: Schüco kennt sich mit dem gesamten Gewerk Tür aus: von den »hardwareseitigen« Anforderungen wie Türprofile, -füllungen und -beschläge bis hin zu smarten Anwendungen, wie der Türkommunikation. Und bei Dormakaba liegt die Kompetenz für spezielle Türlösungen. Denn eine Tür tut immer nur genau das, was die eingebundenen Geräte ihr erlauben und ermöglichen. Vor diesem Hintergrund haben wir uns entschieden, strategische Themen von jetzt an gemeinsam anzugehen.

J. Gau: Viele denken, dass Schüco Fenster und Türen selbst baut, was wir aber gar nicht tun. Auch das machen wir in Partnernetzwerken, sprich: mit weltweit über 10.000 Partnern. Genauso wollen wir nicht alles selber entwickeln, sondern wir glauben an Netzwerke und Partnerschaften – vor allem, wenn sich die Produktkompetenzen so gut ergänzen wie in der Zusammenarbeit mit Dormakaba.

Man kann uns ein bisschen mit einem Automobilhersteller vergleichen: Ein Mercedes oder BMW wird auch nicht von einem Hersteller allein produziert, sondern es ist immer ein ganzes Universum von Komponentenherstellern, Zulieferern und Technologiepartnern beteiligt. Beide Unternehmen haben nicht nur das Ziel, Produkte oder Systeme an den Markt zu bringen, sondern wir wollen auch den Verarbeitern, Planern, Errichtern und Betreibern ermöglichen, mit der umfangreichen Technologie von der Planung bis zum Betrieb auch klarzukommen.

A. Bradfisch: Genau. Es geht nicht darum, tolle Produkte zu entwickeln, die keiner einbauen oder nutzen kann, weil sie zu kompliziert sind. Wir wollen Produkte miteinander so kombinieren, dass wir Gesamttürfunktionen abbilden und digital verfügbar machen können. Dadurch vereinen wir die Planung, Installation und den Service der Tür zu einem Gesamtsystem. Dormakaba bietet vom Drehtürantrieb über das Schloss bis hin zur Zutrittskontrolle das Portfolio, um alles aus einer Hand abzubilden, was beim Thema Türfunktion benötigt wird. Und das so digitalisiert, dass es problemlos mit dem Schüco Türkommunikationssystem kombiniert werden kann.

»de«: Schüco hat viele weitere Koopera­tionspartner, wie z. B. Gira. Führt das zu Konflikten?

J. Gau: Nein, ich glaube eher, es befruchtet alle in Summe. Das zeigt auch die positive Resonanz, die wir aus dem Markt zur Partnerschaft mit Dormakaba erhalten haben. Natürlich gibt es kleine Bereiche bei Kooperationspartnern von uns, in denen ähnliche Produkte angeboten werden. Aber nur gemeinsam können wir den Markt gestalten.

Ich finde es bedauerlich, dass es bei einigen Unternehmen so unterschiedliche Bestrebungen gibt: die einen machen konsequent nur KNX, die anderen setzen beispielsweise auf Bluetooth-Systeme – genau das ist es, was wir nicht wollen. Wir wollen ganzheitliche Lösungen schaffen, die für verschiedene Partner und andere Integrationen offen sind. Lassen wir doch dem Kunden die Wahl, was er lieber einsetzen möchte. Wir können das dann alles auf unserer digitalen Plattform zusammenzubringen, sodass es für jeden entlang der Wertschöpfungskette gut handelbar ist. Es ist doch keinem damit gedient, wenn hinterher drei Leute vor einer Tür stehen und sich streiten, warum diese nicht funktioniert.

»de«: Über welche Vertriebswege machen Sie unseren Lesern aus dem Elektrohandwerk Ihre Produkte zugänglich?

J. Gau: Wir stellen professionelle Systeme her, die in die Hände von Profis wie Handwerkern gehören. Do-it-yourself-Lösungen gehören nicht zu unserem Portfolio. Die mechanische Tür wird weiterhin der Metallbauer bei uns bestellen; für die Elektro-Komponenten haben wir uns für den dreistufigen Vertrieb entschieden. Der in Deutschland etablierte Elektrogroßhandel – wie z. B. unser Partner Zajadacz – ist ein guter Multiplikator für uns.

»de«: Was können wir in Zukunft noch von Schüco erwarten?

J. Gau: Unseren Weg mit den Themen dynamische Fassade, Digitalisierung und Vernetzung werden wir konsequent weitergehen. Wir wollen die Frage beantworten, wie man eine Tür für Unbefugte so sicher wie einen Tresor machen kann, während sie für Berechtigte so transparent ist, als wäre sie gar nicht da. Wir werden uns auch verstärkt auf Produkte für das Elektrohandwerk ausrichten, die für den Metallbauer nicht so interessant sind.

»de«: Welche Produkte wären das z. B.?

J. Gau: Dazu zähle ich zum Beispiel den »Ventoflow«, einen smarten, nachrüstfähigen Badabluftventilator für eine bedarfsgesteuerte Lüftung. Oder unsere Sensoren, die in Schüco-Fenstern nachgerüstet werden können und anzeigen, ob das Fenster geöffnet oder geschlossen ist. Ist das Fenster auf, wird die Heizung automatisch heruntergeregelt. Es werden weitere Produkte und digitale Tools folgen, die diesen Servicegedanken fortführen.

Wir wollen mit unseren Lösungen Architekten, Fachplaner, Metallbauer und Elektrohandwerker zusammenbringen, da wir die Zukunft in der ganzheitlichen Gebäudeplanung sehen. Nur so kann ein Bauherr energetisch optimierte Gebäude erhalten. Das funktioniert heute leider nicht immer so gut, in manchen Fällen arbeiten smarte Systeme für sich alleine gesehen zuverlässig, aber nicht im Zusammenspiel miteinander. Deswegen gibt es bei uns auch die Netzwerkveranstaltung namens »Smart Talks« zusammen mit unserem Partner Gira, wo wir genau über diese Problematik gemeinsam diskutieren.

BIM Digitalisierung
Bild 3: Schüco und Dormakaba nutzen Building Informa­tion Modeling (BIM) für das intelligente Planen und Realisieren von Bauvorhaben sowie das Betreiben von Gebäuden
(Bild: www.frankpeterschroeder.de)

»de«: Ist BIM dabei auch ein Thema?

A. Bradfisch: Das Thema BIM ist sowohl für Dormakaba als auch für Schüco relevant. Wir alle wollen den »Seamless Flow« im Gebäude erreichen: So sicher sein, wie es nur geht – ohne dass man merkt, wenn man Barrieren überschreitet, sofern man die Berechtigung dazu hat. Das bedeutet, man muss sich schon in der Designphase des Gebäudes Gedanken machen, welche Funktionen in welchen Gebäudebereichen zum Zuge kommen sollen. Wie sollen sich die Nutzer in dem Gebäude fühlen und welche Möglichkeiten dürfen sie haben?

Diese Fragen werden von uns mit Hilfe der Digitalisierung beantwortet, und dafür muss ich das Gebäude gleich zu Beginn visualisieren können, damit der Kunde auch versteht, dass er mehr von uns bekommt als eine Tür oder eine Fassade. Um abzubilden, wie sich ein Nutzer in den verschiedenen Zonen eines Gebäudes bewegt, brauchen wir BIM. Nicht nur zur Visualisierung, sondern auch, um die Produkte exakt im Projekt abzubilden. Oder um zu zeigen, wie sich das Projekt von der Idee des Architekten bis zur Übergabe an den Nutzer entwickelt hat, falls Änderungen am ursprünglichen Plan notwendig wurden.

J. Gau: Es ist auch falsch zu sagen, BIM sei die Zukunft. Denn BIM ist die Gegenwart, die Realität, auch wenn es noch nicht überall eingesetzt wird. Mal abgesehen vom Fachkräftemangel und von Lieferschwierigkeiten beim Material werden wir es nicht schaffen, die benötigten und geplanten Wohn- und Arbeitsgebäude zu bauen, wenn wir es nicht schaffen, digitale Prozesse zu etablieren.

A. Bradfisch: Und wenn man die Daten zu den Lösungen digital zur Verfügung gestellt bekommt, ist es egal, an welcher Stelle des Prozesses man einsteigt. Selbst wenn das Gebäude bereits errichtet ist und man ein Produkt nachrüsten möchte, kann man sehen, wie sich die Funktion ändert, oder was die Vorschläge sind, um beispielsweise die gewünschte neue Funk­tion an einer Tür zu erreichen. Wir haben deshalb unsere »Entriworx«-Plattform als neues Ecosystem gelauncht, das unser Produktportfolio digitalisiert und so smarte Planungsprozesse, einfache Installationsabläufe und den sicheren, reibungslosen Betrieb eines Gebäudes ermöglicht.

Wir generieren von der Planungsphase bis hin zum Betrieb digitale Zwillinge von Türen, die an unsere Partner wie Schüco oder andere Drittsysteme wie zum Beispiel Gebäudemanagementsysteme übergeben werden können. So ist es möglich, alle Daten zur jeweiligen Türlösung zu empfangen, an die Prozesse der Kunden anzupassen und zu überwachen. Und für den Elektriker wird darüber hinaus über ein Tür-Template automatisch ein Kabelplan erstellt. So ist klar, was an welcher Position angeschlossen werden muss, und welche Kabel ich in welcher Länge vor Ort benötige. Im digitalen Workflow funktioniert die Inbetriebnahme quasi auf Knopfdruck, weil alle Informa­tionen bereits von Anfang an vorliegen.

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Über die Autorin
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Britta Kalscheuer

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