Nach EN ISO 13850 muss jede Maschine – mit Ausnahme von Hand tragbare und handgeführte Maschinen – durch eine einzige manuelle Handlung stillgesetzt werden können. Diese Not-Halt-Funktion muss durch eine entsprechende Not-Halt-Einrichtung realisiert werden.
Wie sind die Begriffe »Not-Halt« und »Not-Aus« definiert?
In den technischen Regelwerken wird zwischen zwei Schutzkonzepten unterschieden: dem Not-Halt und dem Not-Aus. Beide Begriffe werden im allgemeinen Sprachgebrauch häufig verwechselt. Allerdings unterscheiden sie sich erheblich in ihrer Funktion und in dem Grad an Sicherheit, den sie bieten. Die EN 60204 definiert die Begriffe so:
- Not-Aus (Ausschalten im Notfall): Eine Handlung im Notfall, die dazu bestimmt ist, die Versorgung mit elektrischer Energie zu einer ganzen oder zu einem Teil einer Installation abzuschalten, wo ein Risiko für elektrischen Schlag oder ein anderes Risiko elektrischen Ursprungs besteht. Unter Not-Aus versteht man also das Ausschalten der Versorgung mit elektrischer Energie.
- Not-Halt (Stillsetzen im Notfall): Eine Handlung im Notfall, die dazu bestimmt ist, einen Prozess oder eine Bewegung anzuhalten, der oder die Gefahr bringend wurde. Unter Not-Halt versteht man das bewusste Anhalten einer Bewegung.
Anforderungen an eine Not-Halt-Schaltung
Die Not-Halt-Funktion muss Vorrang gegenüber allen anderen Funktionen in allen Betriebsarten haben. Die Energiezufuhr zu Antrieben, die Gefährdungen verursachen können, muss so schnell als möglich abgeschaltet werden – allerdings, ohne weitere bzw. andere Gefahren zu erzeugen:
- Die Not-Halt-Funktion ist eine Stopp-Funktion der Kategorie 0 oder 1 nach EN 60204
- Ein Rücksetzen der Not-Halt-Funktion darf nicht zum Wiederanlaufen der Maschine führen
- Not-Halt-Schalter oder Not-Aus-Taster müssen nach dem Prinzip der Zwangsbetätigung arbeiten.
Welche Not-Aus- bzw. Not-Halt-Schaltgeräte eingesetzt werden, hängt von der Risikobewertung und von der Applikation ab.
Not-Halt-Schaltung im Hauptstromkreis
Bei einfachen Antrieben kann unter Umständen die Netztrenneinrichtung (Hauptschalter) als Not-Halt-Schalter verwendet werden. Allerdings darf dabei das Abschalten der Energiezufuhr nicht zu gefährlichen Zuständen führen (Stopp-Kategorie 0 nach EN ISO 13850). Realisieren lässt sich das zum Beispiel durch einen Leistungsschalter mit Türkupplungsdrehgriff. Der Not-Halt-Schaltplan sieht dann wie in Bild 1 aus.
Zur Funktion: Das Betätigen des Not-Halt-Schalters Q1 schaltet die Energiezufuhr der gesamten Anlage ab. Der Unterspannungsauslöser an Q3 verhindert einen Wiederanlauf des gefährlichen Antriebs. Damit kann ein Sicherheitsintegritätsniveau von SIL 1 bzw. ein Performance Level »c« erreicht werden.
Not-Halt-Schaltung im Steuerstromkreis
Über den Steuerstromkreis lässt sich ebenfalls eine Not-Halt-Schaltung oder auch Not-Halt-Abschaltung für das Stillsetzen von Maschinen und Anlagen im Gefahrenfall realisieren. Diese Schaltung kommt zum Beispiel bei einfachen Antrieben zum Einsatz, bei denen das Motorschütz betriebsmäßig geschaltet wird (Bild 2).
Was man über Sicherheitsrelais wissen sollte
Müssen mehrere Stromkreise unterbrochen werden, kommen Sicherheitsrelais zum Einsatz. Dabei handelt es sich um besondere Relais, die den Normen EN 60947-5-1, EN 60204-1 und VDE 0113-1 entsprechen. Ist dies nicht der Fall, kann es passieren, dass die Metallkontakte beim wiederholten Ein- und Ausschalten der Last am Ende der elektrischen Lebensdauer oder im Störfall verschweißen. Wird in dieser Situation ein Not-Halt-Taster oder ein Not-Aus-Schaltgerät betätigt, würde die Maschine weiterlaufen.
Für den Aufbau sicherheitsgerichteter Applikationen stehen daher spezielle Relais in ein- oder zweikanaliger Ausführung zur Verfügung. Die interne Logik der Sicherheitsrelais überwacht die Sicherheitskreise (Not-Halt, Schutztür) und aktiviert im fehlerfreien Zustand die Freigabepfade. Diese werden bei Ansprechen der Sicherheitseinrichtung oder im Fehlerfall abgeschaltet.
Beispielanwendung eines Sicherheitsrelais
In Bild 3 ist die Realisierung einer solchen Sicherheitseinrichtung mittels dem Eaton »Easy Safety ES4P-221-DRXD1« realisiert. Der Not-Halt-Taster S1 muss sich in Freigabe-Stellung (Öffnerkontakt geschlossen) befinden, damit die Freigabe über den Reset-Taster S2 erteilt werden kann. Mit Betätigen des zu dem jeweiligen Antrieb gehörenden Start-Tasters (S3, S5, S7) startet die Gefahr bringende Bewegung. Die Selbsthaltung und ihre Unterbrechung realisieren zusätzliche Spiegelkontakte der Freigabeschütze Q2 bis Q4. Das entsprechende Schütz fällt ab, ein erneutes Starten ist durch Betätigen des Start-Tasters möglich.
Wird während der Gefahr bringenden Bewegung der Not-Halt-Taster S1 betätigt, entzieht »Easy Safety« den Ausgängen die Freigabe, die Schütze Q1 bis Q4 fallen ab. Ein erneutes Starten ist nun erst nach Rücksetzen des Not-Halt-Tasters und dessen Freigabe durch Betätigen der Reset-Taste S2 möglich.
Die Merkmale dieser Schaltung sind zusammengefasst:
- Aufbau mit bewährten Bauteilen und bewährten Sicherheitsprinzipien (EN ISO 13849-1 und EN ISO 13849-2)
- Überwachung der redundanten Abschaltstufe über einen Rückführkreis
- Brückenbildung im Not-Halt-Taster oder in Zuleitung führt zum Verlust der Sicherheitsfunktion.
Zweikanalig mit Sicherheitsrelais
Eine höhere Sicherheitsintegrität kann durch eine Erweiterung auf eine redundante Not-Halt-Abschaltung erreicht werden. Befehlsgerät, Zuleitung und Befehlsverarbeitung sind hierbei redundant und selbstüberwachend. Diese Schaltung (Bild 4) verwendet das Sicherheitsrelais »ESR5« von Eaton und kann angewendet werden, wenn ein sofortiges Abschalten der Energiezufuhr nicht zu gefährlichen Zuständen führt.
Eaton ist ein Anbieter von Energiemanagement-Lösungen. Das Unternehmen bietet energieeffiziente Lösungen, die den Kunden effektiv dabei helfen, elektrische, hydraulische und mechanische Energie effizienter, sicherer und nachhaltiger zu nutzen. Eaton hat sich dem Ziel verschrieben, durch den Einsatz von Energiemanagement-Technologien und -Dienstleistungen für mehr Lebensqualität zu sorgen und die Umwelt zu schützen.
Eaton wurde 1911 gegründet und ist seit fast einem Jahrhundert an der NYSE notiert. Im Jahr 2021 verzeichnete das Unternehmen einen Umsatz von 19,6 Mrd. US-Dollar und ist in über 170 Ländern vertreten. Weitere Informationen finden Sie unter https://www.eaton.com/de/de-de.html.
Fazit
Es gibt noch weit mehr Möglichkeiten zur Realisierung von Not-Halt-Schaltungen. Für alle, die sich mit dem Thema »Maschinen- und Anlagensicherheit« ausführlicher befassen wollen, bietet das Sicherheitshandbuch von Eaton ausführliche Informationen (siehe Kasten »Das Sicherheitshandbuch«). Zu beachten ist laut Hersteller auch, dass die Beispielschaltungen teilweise mit generischen Ausfallwahrscheinlichkeiten nach Tabelle C.1 der EN ISO 13849-1 berechnet wurden. Die Berechnungen für eine individuelle Anwendung müssen selbständig und unter Einbeziehung aktueller Kennwerte durchgeführt werden.
Das 172-seitige Werk (Bild 5) richtet sich vor allem an Betreiber, Konstrukteure und Planer, Sicherheitsbeauftragte, Service- und Wartungspersonal sowie Hersteller. Es ist unter der Webadresse www.eaton.de/shb kostenlos zum Download erhältlich. Man gibt hierzu lediglich seine Email-Adresse ein und kann danach den Download starten. Die englische Version findet man unter www.eaton.eu/shb.
Im Buch werden nicht nur alle einschlägigen Normen erklärt, sondern es bietet die Möglichkeit, sich Schritt für Schritt in die umfangreiche Materie der funktionalen Sicherheitstechnik einzuarbeiten. Zahlreiche Schaltungsbeispiele zeigen, wie das Konzept der funktionalen Sicherheit mit elektrischen, elektronischen und programmierbaren Komponenten und Anlagen in Sicherheitsanwendungen umgesetzt werden kann. Danach folgen noch die Teile »Projektierung von Maschinen«, »Der Weg zur sicheren Maschine« sowie ein ausführliches Glossar.