Es gibt wohl kaum einen geschichtsträchtigeren Ort in Deutschland als Leipzig (siehe »ema«-Beitrag »Leipzig – Zentrum des Elektromaschinenbaus«). So war die Stadt ein nahezu perfekter Austragungsort für die Tagung, um nicht nur Vergangenes zu beleuchten oder zu diskutieren, sondern auch nach vorne zu blicken. Insgesamt folgten 83 Gäste der Einladung, die ein reichhaltiges Programm geboten bekamen. Bereits am Vorabend (4.5.) traf man sich im Tagungshotel Marriott direkt in der Leipziger Innenstadt zu einem Abendessen und Gesprächen. Die Tagung selbst startete am nächsten Morgen.
Highlights aus den Vorträgen
Die beiden Vormittage waren den Fach-Vorträgen gewidmet, die ein sehr breites Themenfeld abdeckten. Im Folgenden zeigen wir Ihnen einige interessante und spannende Punkte auf.
Differenzstrommessung statt Isolationsüberwachung
René Rethfeldt, Mitarbeiter der Mebedo Consulting GmbH, machte den Anfang der Vortragsreihe. Nach einer längeren Ein- und Hinleitung kam der Referent auf den »Kern des Problems«: Kann eine Isolationsüberwachung (permanente Überwachung mittels RCM) eine Isolationsprüfung nach Norm ersetzen? Rethfeldt dazu: »Egal, was Sie da hören, es gibt bei einer Erstprüfung nach DIN VDE 0100-600 keine Möglichkeit, auf die Isolationsmessung zu verzichten«. Und weiter: »Um die Messwerte beurteilen zu können, benötigt man eine befähigte Person und die sitzt nicht im Messgerät, sondern davor« (Bild 1).
Anders verhält es sich bei einer Prüfung nach DIN VDE 0105-100 im Sinne der Wiederholungsprüfungen, die bei Betriebsleitern häufig nicht gerne gesehen sind, da die Anlagen abgeschaltet werden müssen. Hier steht in Abschnitt 5.3.3.101.0.4 der aktuellen Ausgabe der genannten Norm: »Für elektrische Anlagen, die im normalen Betrieb einem wirksamen Managementsystem zur vorbeugenden Instandhaltung unterliegen, können die wiederkehrenden Prüfungen ersetzt werden durch ein angemessenes System aus einer ständigen Überwachung verbunden mit einer kontinuierlichen Instandhaltung durch Elektrofachkräfte.«
Allerdings: »Die Anwendung dieser Messmethoden (ständige Überwachung) entbindet keinesfalls von der Verpflichtung zur wiederkehrenden Prüfung elektrischer Anlagen und Betriebsmittel, z. B. durch Besichtigung, Prüfung der Durchgängigkeit der Schutz- und Potentialausgleichsleiter, sowie der Wirksamkeit der Abschaltbedingungen«, so René Rethfeldt abschließend.
Reparatur und Prüfung von Ex »e«-Motoren
In einer Doppelmoderation betraten Peter Behrends und Martin Mientus die Bühne. »Stein des Anstoßes«, so Peter Behrends, war das Prüfprotokoll (Papierform) in Bezug auf die nach einer Reparatur anstehende Prüfung eines Ex-e-Motors. »Genau genommen« so Behrends weiter, »dreht es sich um die Sättigungskurven«. Gemeint sind dabei die in der 2. Ausgabe der PTB-Prüfregeldargestellten Kurven (Bild 2) in Abhängigkeit des Verhältnisses »Prüf- zu Nennspannung« (U/UN). Das Problem dabei sei, so Martin Mientus, dass die Sättigungskurven aus dem Jahr 1969 stammen und damit möglicherweise überholt sind. Den »Stein ins Rollen« gebracht hatte schließlich Marcus Fey, dem auffiel, dass die Prüfungen nach der Papierform ein anderes Ergebnis zutage brachten als die bei der Verwendung des E-Protokolls. »Allerdings muss man anmerken, dass die Unterschiede nicht besonders hoch sind, dennoch wusste niemand, warum das so ist«, merkte Mientus noch an. In Folge gründete man eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Martin Mientus, Peter Behrends, Marcus Fey und Gerd Reichert, »um die ganze Problematik etwas aufzudröseln«, so Peter Behrends.
Des Weiteren gab es von Seiten der Referenten auch einen Hinweis auf den Anhang 2 der TRBS 1201-3: hier ist – z. B. nach einem Austausch der Lager – keine Prüfung nach der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) mehr notwendig. Schließlich gingen Mientus und Behrends auch noch auf einen weiteren Punkt aus der DIN EN IEC 60079-19 ein: »In der älteren Ausgabe der Norm – die derzeit gültige Norm ist jetzt seit Juli 2021 in Kraft – gab es noch den Hinweis, dass man die Maschine im Kurzschlussversuch testen muss, idealerweise bei Nennspannung, dass man die Sättigungseffekte nicht mit an Bord hat. (...) Von dieser Prüfung ist heute keine Rede mehr«, so Peter Behrends.
Novellierung des Berufs »Elektroniker für Maschinen und Antriebstechnik«
Kein Zweifel: Um auch in Zukunft fach- und sachgemäße Arbeiten auf gewohnt hohem Niveau anbieten zu können, ist eine Investition in den Nachwuchs unerlässlich. Das gilt selbstredend für den gesamten elektrohandwerklichen Bereich, doch umso mehr auch für den Elektroniker für Maschinen und Antriebstechnik. Kurzfristig sprang hier Gerd Reichert, Technischer Referent beim ZVEH, für Andreas Habermehl ein (siehe auch Kasten »Gerd Reichert im Porträt«).
Neu im Berufsbild des Auszubildenden als Elektroniker/in für Maschinen und Antriebstechnik sind die Begriffe »Energiespeichersysteme« und »Brennstoffzellen«, die bewusst und mit Blick auf die Zukunft in die Berufsbildpositionen aufgenommen wurden. Wichtig war Gerd Reichert auch der Hinweis, dass die Position der »Materialbearbeitung« in der Überbetrieblichen Ausbildung (ÜLU) gesplittet wurde und so der Teil der manuellen Bearbeitung nur noch eine Woche dauern soll, während ein Teil mit maschineller Bearbeitung neu hinzugekommen ist. Allerdings sind diese Pläne momentan noch in Bearbeitung, sollen aber zeitnah zum Abschluss kommen.
Dass das Bestehen der Gesellenprüfung noch nicht das Ende der Karriere bedeuten muss, zeigte Reichert auch anhand der Weiterbildungsmöglichkeiten (Bild 3). »Was häufig vergessen wird, ist die Tatsache, dass der Abschluss als Meister, dem des Bachelors nach dem europäischen Qualifikationsrahmen gleichgesetzt ist und wer im Anschluss noch den ,Technischen Betriebswirt‘ draufsetzt, erreicht das gleiche Qualifikations-Niveau wie das eines Masters«, so der Referent.
Er ist »der Neue« in den Reihen des ZVEH (Bild 4) und dort als Technischer Referent tätig. Wir von der Redaktion unterhielten uns mit ihm am Rande der Tagung.
»ema«: Herr Reichert, beschreiben Sie den Lesern doch bitte Ihre Tätigkeit als Technischer Referent beim ZVEH.
G. Reichert: Prinzipiell habe ich drei Haupttätigkeiten. Ich betreue zunächst den Fachbereich Elektromaschinenbau innerhalb des ZVEH. Das kann die Organisation einer Tagung wie dieser sein oder Themen, die im Alltag auftreten, wie das schon angesprochene E-Protokoll für ex-geschützte Motoren, für das ich einen kleinen Arbeitskreis leite. Außerdem kümmere ich mich gerade um die Unterweisungspläne für die überbetrieblichen Ausbildung der Auszubildenden zum Elektroniker/in für Maschinen und Antriebstechnik. Der zweite Pfeiler meiner Arbeit besteht in meiner Arbeit für den ZVEH in den Normungsgremien. Das betrifft Normen, die installationsrelevant sind und dort auch mit Blick auf neue Technologien, wie beispielsweise stationäre Batteriespeicher oder Ladeinfrastruktur. Der dritte Schwerpunkt besteht aus neuen Technologien verbunden mit dem Umbau der Energieversorgung. Hier wären Stichwörter wie »Sektorkopplung« oder »Energiewende« zu nennen. Dieser Bereich ist für mich zum einen sehr spannend und auch herausfordernd und zum anderen kann ich hier Wissen aus meiner früheren Tätigkeit im Bereich Ladestationen für Elektrofahrzeuge einbringen.
»ema«: Wie war die erste Tagung für Sie?
G. Reichert: Ich empfand es als durchweg positiv. Ich wurde hier sehr gut aufgenommen und fühlte mich inmitten der Teilnehmer, die ja größtenteils als selbständige Elektrohandwerker arbeiten, sehr wohl. Hier wird ein offenes und direktes Wort gesprochen, was ich sehr schätze und nicht um den »heißen Brei geredet«, was ich früher mehr aus dem Bereich Industrie gekannt habe.
»ema«: Was fanden Sie besonders gut?
G. Reichert: Eine gute Frage. Mir fehlt jetzt leider der Vergleich zu früheren Tagungen und ich muss sagen, dass es allein schon im Vorfeld nicht ganz einfach war, genügend Referenten mit spannenden und passenden Themen zu finden. Dennoch fand ich den Vortrag von Deniz Akpinar bemerkenswert. Zwar klang das zunächst etwas »reißerisch«, aber seine Ausführungen waren nachvollziehbar. Fachlich war für mich z.B. der Vortrag von Sylvia Blankenhagen ebenfalls gut. Hier konnte man sehr schön sehen, dass ein energieeffizienter Motor noch lange nicht die beste Lösung sein muss, wenn er denn beispielsweise überdimensioniert ist. Hier bemerkte ich im Publikum einige »Aha-Erlebnisse«. Und schließlich wurde der Vortrag von Peter Behrends und Martin Mientus durch die Form des Zwiegesprächs sehr aufgelockert. Die haben sich in lässiger Manier quasi die Bälle zugespielt und auch das Publikum miteinbezogen.
»ema«: Herr Reichert, vielen Dank für Ihre Zeit und das Gespräch.
Qualifizierte Fachkräfte aus Ihrer Region gewinnen
Schließlich durfte auch das Thema »Fachkräftebedarf« nicht fehlen, denn die schönste Neuordnung eines Berufs nützt nichts, wenn es nicht genügend Bewerber für den Beruf gibt. Genau dieses Themas nahm sich Deniz Akpinar an (Bild 5), der sich zunächst bewusst provokant gab: »Man kann sich nicht auf die Politik, externe Dienstleister oder Verbände verlassen, sondern Sie alle – als Unternehmer und Dienstleister – sind gefragt, das Problem der Mitarbeitergewinnung selbst zu lösen.« Eine vakante Stelle neu zu besetzen, kostet nach Darstellung des Referenten im Schnitt 241 Tage Zeit, wodurch ca. 100.000 € an Kosten entstehen.
Akpinar »räumte« auch gleich mit einer weit verbreiteten Meinung auf, dass »der Markt leer« sei: »Es gibt immer einen gewissen Teil der Arbeitnehmer, die mit ihrer derzeitigen Arbeit glücklich sind (ca. 10 %). Das ist nicht unserer Zielgruppe. Doch es gibt auch eine Gruppe, die bereits innerlich gekündigt hat (10 %), welche Gründe auch immer dazu geführt haben. Die erreichen Sie tatsächlich noch über herkömmliche Anzeigen auf Stellenportalen. Aber diese Gruppe ist leider nur ein kleiner Bruchteil. Der weitaus größere Teil der Mitarbeiter (70 %–80 %) ist zwar neutral, aber grundsätzlich offen für einen Wechsel. Nur: die suchen nicht aktiv nach einem Job und die müssen Sie jetzt erreichen und gerade bei jüngeren Menschen geht das ausschließlich über ‚Social Media‘.«
Im weiteren Verlauf seines Vortrags – der stellenweise kontrovers diskutiert wurde, aber auch sehr viel Aufmerksamkeit erhielt – stellte Deniz Akpinar Fallstudien sowie einen 10-Punkte-Plan für den Umgang mit dem Fachkräftemangel dar. In zukünftigen Ausgaben der »ema« sollen diese Punkte in mehreren Beiträgen vorgestellt werden.
Das Rahmenprogramm
Partnerprogramm und Ausflug zum MDR
Um den mitgereisten Partnerinnen und Partnern die Zeit in Leipzig so kurzweilig wie möglich zu gestalten, bot man von Seiten des ZVEH am Freitagvormittag ein Partnerprogramm an. Dort ging es per historischer Straßenbahnfahrt quer durch Leipzig, um dann den Ausflug gemütlich bei Kaffee und Kuchen im Gohliser Schlösschen ausklingen zu lassen.
Wie in den früheren Jahren auch üblich, war der Nachmittag des ersten Tagungstags mit einem Ausflug für alle verbunden. Dieses Mal ging es zum Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) in die Produktionsstudios am Standort Leipzig. Dort konnten sich alle ein Bild davon machen, wie beispielsweise eine Sendung produziert wird oder welches Equipment dafür vonnöten ist. Dafür wurde die große Gruppe in vier Einzelgruppen aufgeteilt und schon konnte es los gehen (Bild 6). Am Ende des Rundgangs durfte sich ein Freiwilliger selbst als Nachrichtensprecher probieren und das Ergebnis auf einem USB-Stick mit nach Hause nehmen.
Abendessen in historischer Umgebung
Nach einem ereignisreichen Tag mit spannenden Vorträgen, umfangreicher Information und vielen Metern zu Fuß, gab es schließlich ein Abendessen im historischen Gewölbe des Ratskellers in der Leipziger Innenstadt. Auch hier durfte aber ein Rahmenprogramm nicht fehlen und so wurden die Gäste durch den Auftritt des Leipziger Ratsbaumeisters und Bürgermeisters Hieronymus Lotter, verkörpert durch einen Stadtführer, über die Geschichte der Stadt Leipzig und die Gepflogenheiten von damals informiert (Bild 7).
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