Die Wohnungsnot insbesondere in Ballungsgebieten ist eines der drängendsten Probleme unserer Zeit. Die Neubautätigkeit ist deutlich eingebrochen, die Anzahl an Stornierungen steigt von Monat zu Monat an. Als Gründe werden häufig die steigenden Zinsen und die enorm gestiegenen Baukosten genannt. Glaubt man den Aussagen von Immobilienentwicklern, so müssen sie inzwischen eine Nettokaltmiete von rund 20 € pro Quadratmeter aufrufen, um ein Mietobjekt rentabel zu gestalten.
Kostensenkungsmaßnahmen sind also gefragt. An der allgemeinen Zinsentwicklung lässt sich nur schwer etwas ändern – wobei das jetzige Zinsniveau im langjährigen Mittel keineswegs hoch ist. Vielmehr war die Nullzinsphase der vergangenen Jahre eine Sondersituation, in der sehr viel Geld in den Immobiliensektor geflossen ist, mangels anderer attraktiver Anlageformen.
So landen wir also bei den Baukosten. Steigende Rohstoffpreise sind eine Ursache, die sich nur schwer beheben lässt, hinzu kommen u. a. die allgemeine Inflation und hohe Energiepreise – ein gefährlicher Mix. Ein vermeintlich beeinflussbarer Faktor sind die Bauvorschriften, sprich eine Absenkung der Baustandards. Einen ersten Schritt in diese Richtung ist die Bundesregierung kürzlich gegangen, indem verschärfte Dämmvorschriften (KfW 40) erst einmal nicht eingeführt werden.
Erinnert sich noch jemand an die Baukostensenkungskommission? Die gibt es seit rund zehn Jahren, außer stapelweise Konzeptpapieren ist da nicht viel rausgekommen. Kein Wunder, schließlich glaubt jedes Gewerk, dass es durchaus Einsparpotenziale gibt – aber immer nur bei den anderen. Auf dem eigenen Spielfeld gibt es immer gute Gründe, die »Normenschraube« noch ein wenig fester anzuziehen. Kleines Beispiel: Die aktuelle VDE 0100-410 fordert, im Privatbereich auch Leuchtenstromkreise mit einer RCD abzusichern, da der Bewohner heutzutage in der Regel nicht mehr nur das Leuchtmittel wechselt, sondern die komplette LED-Leuchte austauscht.
Es steht außer Frage, dass diese Maßnahme ein Plus an Sicherheit bringt. Aber selbstverständlich führt sie auch zu steigenden Kosten. Beispiele ähnlicher Art finden sich sicherlich für alle Gewerke, und viel Kleinvieh macht in Summe eben doch was aus. Absolute Sicherheit gibt es nicht, und insofern ist die Frage erlaubt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang wir eine Reduzierung der Standards akzeptieren wollen, damit wir mehr Wohnraum schaffen.
Ausstattungsnormen wie die Dämmanforderungen kann man absenken, sicherheitsrelevante Normen niemals, lautet dann häufig ein Gegenargument. Doch so einfach ist es nicht, es gibt einen Präzedenzfall von Anfang dieses Jahres. Damals wurden die Bestimmungen für so genannte Balkonkraftwerke aufgeweicht. Eine Reihe von Fachleuten hat davor gewarnt, aber gekommen ist es trotzdem so. Ob das die Energiewende ins Ziel bringen wird oder nicht doch eher Symbolpolitik ist?
Allein eine Absenkung der Standards wird den Wohnbau nicht in Schwung bringen. Auf einen komplexen Mix an Ursachen gibt es keine einfache Antwort. Zumindest darüber nachdenken sollte aber möglich sein.
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