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Die Energiewende – was ist geschafft, wo hakt es? (4)

Ausblick auf Sonne, Wind und mehr

zu Teil 3

In diesem letzten Beitragsteil wollen wir einen Blick in die Zukunft wagen und versuchen abzuschätzen, welche Erzeugungsart welche Potenziale und Grenzen hat.

Ausblick Wasserkraft – Potenzial überschaubar

Wieder einmal deckte die Wasserkraft 2023 nur 2,2 % des deutschen Stromverbrauchs. Die Potenziale sind einfach nicht gegeben. Dabei ist es sehr wichtig, zwei völlig unterschiedliche Arten zu trennen:

  • Laufwasserkraftwerke (Flusskraftwerke) nutzen die Bewegung eines Fließgewässers, um aus der kinetischen Energie des Wassers elektrische zu gewinnen. Praktisch ist auch ein Höhenunterschied (eine Staumauer) erforderlich, aber das Stauvolumen ist nicht nennenswert veränderlich.
  • Stauwasserkraftwerke nutzen die potenzielle Energie aufgestauten Wassers. Sie bringen deswegen ihrer Natur nach einen enormen Energiespeicher gleich mit sich.

In Deutschland müssen wir uns mit 3,7 GW Laufwasserkraft und 1,4 GW Stauwasserkraft begnügen, wovon uns 2023 die Laufwasserkraft 13,4 GWh und die Stauwasserkraft nur 1 GWh bescherten. Die Stauwasserkraft wird stark intermittierend ganz gezielt in der Spitzenlast eingesetzt wie die Pumpspeicherkraftwerke, während die Laufwasserkraft – analog Sonne und Wind – genommen werden muss wie sie kommt.

Ausblick Sonne – »wie bisher«

In den öffentlichen Diskussionen über die Energiewende steht meist die Photovoltaik im Vordergrund des Interesses. Mit der bestehenden Subvention kann sich der Solarstrom auch im kleinen Rahmen rechnen. Obwohl die installierten Leistungen von Sonne und Wind zur Zeit etwa gleich hoch sind, lieferte der Wind 2023 rund 2,6 Mal so viel Energie wie die Sonne (Bild 15).

Bild 15: Verteilung der regenerativen Einspeisungen und der gesamten Netzlast über das Jahr 2023 in Tages-Mittelwerten
Bild 15: Verteilung der regenerativen Einspeisungen und der gesamten Netzlast über das Jahr 2023 in Tages-Mittelwerten
(Bild: Fassbinder)

Was aber bringen private PV-Anlagen mit Speicher für die Energiewende insgesamt? Der Akku arbeitet nicht »netzdienlich«, sondern zeitweise sogar dem Strommarkt und seiner Wende entgegen. Auch dies wurde kürzlich im Beitrag »Die dritte Option der Solarstromvermarktung?« verdeutlicht: »Das Einzige, was für die Batterien [unter den gegenwärtigen Bedingungen] zählt, ist in der Regel die Leistung am Netzanschlusspunkt. Das führt dazu, dass Batterien sich oft abends entladen und dann die ganze Nacht über herumstehen und warten, bis die Sonne aufgeht. Dass dann nachts vielleicht so viel Wind weht, dass die Strompreise negativ werden, bekommen weder die Batterien noch deren Eigentümer mit.«

In diesem Zusammenhang wird auch der Begriff »Netzparität« angemessen erläutert, der ansonsten oft dahingehend interpretiert wird, die solare Stromerzeugung sei heute schon günstiger als Strom aus dem Netz und mithin diesem gegenüber konkurrenz­fähig. Eben dies ist aber nicht gemeint, ­sondern nur für den privaten Betreiber einer PV-Anlage kann diese günstiger sein –
solange die Sonne scheint. Eine Konkurrenz im Sinne einer zum Netz alternativen ­Bezugsquelle ist die Photovoltaik eben nicht, denn das Netz bietet im Gegensatz zur Photovoltaik eine Rundum-Vollversorgung. Das kann man nicht vergleichen. Darüber hinaus sind zwei weitere Punkte zu berücksichtigen:

  • Die derzeit im Einsatz befindlichen Batteriespeicher machen im Vergleich zum Bedarf der Energiewende nach einem Saisonalspeicher weniger aus als der berühmte Tropfen auf einen heißen Stein (siehe Abschnitt zu den Speichern in Teil 3).
  • Wer beim Bezug elektrischer Energie durch Eigenerzeugung Geld spart, erspart sich hiermit gleichzeitig alle Kosten, die auf die Energie umgelegt wurden (Steuern, Abgaben, Netzentgelte) und damit seinen Anteil an den Kosten der Rundum-Vollversorgung. Nur deswegen rechnet sich die Anlage für den Endverbraucher.

Von der Praxis der niedrigen Arbeitspreise und hohen Leistungspreise (Grundgebühr), die die wahren Kosten wiedergaben, ist man um die Zeit der Liberalisierung des Strommarktes aber abgewichen, da diese Praxis wiederum die Motivation zum sparsamen Umgang mit elektrischer Energie ausbremst – ein bislang ungelöstes Dilemma. Es fehlt jedoch nicht mehr viel, bis sich der Verkauf von Solarstrom an der Börse lohnen würde – wenn das denn ginge: Für das vergangene Jahr errechnet sich ein mittlerer Börsenpreis von 72,30 €/MWh = 7,23 ct/kWh für Solarstrom.

Ausblick Sonne – geplant nach EEG

Während also ein Sonntag mit Sonne und Wind schon jetzt zu negativen Strompreisen führen kann, setzt die Bundesregierung ihr Ausbauziel auf 215 GW bis 2030. Das ist der Faktor 3,4 gegenüber 2023. Geeignete, aber noch ungenutzte Dächer dafür gibt es genug. »Das technische PV-Potenzial der Dachflächen liegt in Deutschland laut einer aktuellen Studie von Agora Energiewende bei stattlichen 409 GW«, zitiert der VDE. Doch wohin soll der so erzeugte Strom fließen? Rechnet man die PV-Erträge des vergangenen Jahres entsprechend hoch und lässt alles andere gleich, so errechnet sich eine Produktionsspitze von 139,3 GW am Samstag, den 3.6.2023 um 12:00 Uhr. Die Netzlast betrug in diesem Moment aber nur 46,7 GW. Da bleiben also 92,6 GW – mehr als die Jahres-Lastspitze von 72,6 GW – übrig, von denen wir nicht wissen werden, wohin damit.

Bild 16a: Netzlast und Einspeisung von Sonne und Wind wie 2023 gehabt – hier in Viertelstundenwerten – aber PV entsprechend Plan-Zubau um den Faktor 3,4 hochskaliert …
Bild 16a: Netzlast und Einspeisung von Sonne und Wind wie 2023 gehabt – hier in Viertelstundenwerten – aber PV entsprechend Plan-Zubau um den Faktor 3,4 hochskaliert …
(Bild: Fassbinder)

Andererseits lassen die »kahlen Stellen« Ende Januar und Anfang Dezember (Bild 16a) erahnen, dass es dort selbst mit der 3,4-fachen PV-Leistung jeweils über länger als eine Woche mit der erneuerbaren Erzeugung ziemlich »mau« aussieht, wenn auch der Wind ausbleibt. Dies bestätigt sich, wenn man die Woche des Minimums gestreckt betrachtet (Bild 16b).

Bild 16b: … doch die Woche der geringsten solaren Einspeisung sieht selbst mit Hochskalierung kaum besser aus als ohne den Zubau
Bild 16b: … doch die Woche der geringsten solaren Einspeisung sieht selbst mit Hochskalierung kaum besser aus als ohne den Zubau
(Bild: Fassbinder)

Fazit: Der Zubau hilft ganz gewiss bei »durchschnittlicher« Wetterlage der Energiewende tagsüber voran, nur lässt sich eine ­gigantische Überproduktion über Mittag im Juni auch durch den erwarteten Zuwachs beim Stromverbrauch auf Grund von E-Mobilität und Wärmepumpen nicht unterbringen. Eine Möglichkeit zur saisonalen Speicherung ist der deutlich engere Engpass als die Installation von 215 G W PV-Leistung, und der Absatz von Überschüssen im Ausland findet in dem Umfang seine Grenzen, wie diese Länder ebenfalls vermehrt auf Sonne und Wind setzen.

Ausblick Windkraft

Windkraftanlagen unterliegen dem so genannten Wachstums- oder Skalierungsgesetz. Deswegen nimmt die typische Baugröße realisierter Anlagen ständig zu (1990 im Mittel 164 kW; seit 2022 etwa 5 MW je Einheit, und privat betriebene Mini-Anlagen setzen sich nicht durch, weil sie nämlich – anders als bei der »Kleinwasserkraft« – nur die gleiche Einspeisevergütung bekommen wie große Windkraftanlagen. »Die installierte Gesamtleistung am Jahresende 2023 beträgt […] 60,9 GW. Bis 2030 soll sich die installierte Leistung auf 115 GW steigern«, heißt es auch beim Wind (Quelle: Bundesnetzagentur). Nun ließe sich die für den PV-Zubau durchgeführte Hochrechnung hier wiederholen. Die Ergebnisse und die hieraus zu ziehenden Schlüsse wären tendenziell die gleichen. Der Faktor des Zubau-Ziels liegt hier aber »nur« bei 1,9. Damit würden wir die Verhältnisse von etwa 1:1 bei der ­installierten Leistung und 5:2 bei der erzeugten Energie von Wind zu PV aber verlassen, die sich als das optimale Verhältnis erwiesen haben. Der Wind sollte also das deutlich stärkere Standbein bleiben, so wie es jetzt der Fall ist: Bezeichnenderweise tritt der höchste Strom-Export im Januar (Bild 6, Teil 2) und der höchste Import im August (Bild 7, Teil 2) auf, denn der Wind ist »winterlastig«.

Ausblick Gas

Die Kernkraftwerke stehen still, und die Kohlekraftwerke sind auch Auslaufmodelle. Um uns rund ums Jahr ausschließlich mit erneuerbarem Strom versorgen zu können, wäre Folgendes erforderlich:

  • Jeweils eine Verdopplung der installierten Leistungen von Sonne und Wind – die anderen Erneuerbaren konstant haltend – und
  • eine (immer noch idealisiert verlustfrei gerechnete) Speicherkapazität von 20 TWh, bzw. 28 TWh, weil auch Jahre wie 2020 vorkommen (Bild 11, Teil 3).

Die Verdopplung beim Wind steht auf dem Plan; der Ausbauplan bei der PV schießt sogar deutlich darüber hinaus. Von dem Speicher jedoch ist – außer Hunderten oder gar Tausenden optimistischer Studien, Szenarien und Berechnungen – noch keine Spur zu sehen.

In dieser Situation handelt die Bundesregierung vollkommen richtig, wenn sie die Kohlekraftwerke zunächst durch Gaskraftwerke ersetzen will. Dafür spricht nicht nur, dass uns zur Zeit gar nichts anderes mehr übrigbleibt, sondern auch einige weitere wichtige Punkte:

  • Bei der Verbrennung von Erdgas entsteht weniger CO2 als bei der Verbrennung von Kohle (nur gut die Hälfte pro thermischer Energie [21]).
  • Die Anlagen sind vergleichsweise schnell erstellt.
  • Sofern die Gas-und-Dampf-Technik (GuD) eingesetzt wird, entsteht noch weniger CO2, weil diese Anlagen für eine Wärmekraftmaschine ungewöhnlich hohe Wirkungsgrade erreichen (gut 60 %), also mehr Strom pro thermische Energie erbringen (ein optimiertes Kohlekraftwerk schafft maximal 43 %).
  • Kommen reine Gasturbinen zum Einsatz, erreichen diese auch nur etwa 43 % Wirkungsgrad, verfügen aber über genau die hohe Flexibilität, die wir zur Flankierung der Energiewende benötigen: Sie lassen sich schnell an- und abfahren und in der Leistung verstellen.
  • Noch besser sind in dieser Hinsicht die Motorkraftwerke, die bei dem wahrscheinlich bekanntesten Hersteller im Leistungsbereich bis 10,4 MW erhältlich sind (Bild 17). Nach Angaben dieses Unternehmens schaffen es diese Maschinen innerhalb von 3 min aus dem Stillstand bis zur Nennleistung – und auch dies nur, um die Abgaswerte innerhalb bestimmter Grenzen zu halten. Verzichtet man in Notsituationen auf die Abgasreinigung, schaffen sie es auch in 1 min (im Gegensatz zu den 9…15 h bei Kohlekraftwerken).
  • Dabei bietet sich natürlich der modulare Aufbau an. In Kiel gibt es ein Heizkraftwerk, das aus 20 solcher Blöcke (Bild 17) besteht. Das ist dann natürlich teurer als ein einziger Motor oder eine Turbine mit einem einzigen Generator, aber wir benötigen die Flexibilität.
  • Die Motoren und Turbinen lassen sich mit vergleichsweise begrenztem Aufwand zu gegebener Zeit auf Biogas oder Synthesegase umrüsten. Der Wasserstoff macht hier offenbar Probleme, wie eine aktuelle Studie zeigt (Andreas Christidis, Anne Wasike-Schalling, Juliane Arriens: »H2-Ready-Gaskraftwerke«)
Bild 17: Große Zukunft für Generatoren mit Gasmotoren (Exponat auf der Hannover Messe 2019): Heute Erdgas, dann Biogas, später vielleicht Wasserstoff?
Bild 17: Große Zukunft für Generatoren mit Gasmotoren (Exponat auf der Hannover Messe 2019): Heute Erdgas, dann Biogas, später vielleicht Wasserstoff?
(Bild: Fassbinder)

Hätten wir die Verdopplung von Solar- und Windleistung, aber noch immer keine nennenswerte Stromspeicherkapazität, dann bedeutet dies, wir müssten jährlich 93 TWh durch Abregelungen abschreiben und zu anderen Zeiten durch 93 TWh konventionelle Erzeugungen ersetzen. So müssten wir nur noch gut 20 % unseres Verbrauchs mit Erdgas decken, hätten also bereits ohne Speicher fast 80 % Grünstrom im Netz. Das wäre schon ein recht erfreulicher Erfolg.

Gelingt es nun auch noch, das Biogas in großen Mengen zu speichern, statt es in der Grundlast zu »verpulvern«, so dass es samt und sonders für die nächste Dunkelflaute bereitliegt – und hierhin laufen die Bemühungen zur Zeit  – dann müssten wir das Biogas zunächst aus der Summe der Erneuerbaren weglassen. So bräuchten wir um den Faktor 2,24 (statt genau 2) mehr installierte Leistung an Wind plus PV, um mit den Erneuerbaren insgesamt, aber ohne das Biogas, auf prinzipielle 100 % Produktions-Potenziale zu kommen.

In der Praxis gingen jährlich 102 TWh ungenutzt ins Land, die zu anderen Zeiten durch 102 TWh Erdgasstrom ersetzt werden müssten. Hiervon aber könnten wir nun schon 38 TWh durch Biogas ersetzen, das wir für diesen Zweck aufgespart haben; fehlen also nur noch 64 TWh, die aus Erdgas zu erzeugen wären (alle Werte beziehen sich auf die elektrischen Leistungen und Ener­gien, d. h. auf den aus den Gasen erzeugten Strom). Unsere Grünstromquote läge dann schon bei 86 %.

Natürlich entstünden wieder einmal zusätzliche Kosten: Die Generatoren und ihre Gasmotoren müssten um das Vierfache größer ausgelegt bzw. vermehrt werden, wenn sie nun nur noch etwa 20 % statt 80 % eines Jahres laufen. Die Gasspeicher kommen auch noch hinzu. Die bestehenden reichen leider nur für ein paar Stunden; sie taugen – wie Pumpspeicherkraftwerke – zur Glättung des Tageslastgangs und um Biogas auch in der Regelleistung einzusetzen (was ebenfalls zur Zeit schon stattfindet), aber nicht für unser Jahreszeiten-Problem.

Parallel wird geprüft, ob man das Biogas bedenkenlos in das Erdgasnetz einspeisen kann; dort gibt es Speicher mit entsprechendem Erweiterungs-Potenzial. Die Bundesnetzagentur gibt die Kapazität der Untertage-Erdgasspeicher mit 297,1 TWh an. Hiermit ist nun der Brennwert gemeint. Zur Erzeugung von 38 TWh Strom werden gegenwärtig rund 82 TWh Biogas eingesetzt, die künftig gespeichert werden müssten. Tatsächlich gingen vergangenes Jahr 108 TWh Gas in die Gaskraftwerke (Bild 18) und erzeugten 50 TWh Strom, was – als Mittel über GuD-Anlagen, konventionelle Turbinen und Motorkraftwerke – einen Wirkungsgrad von 46,4 % ergibt.

Bild 18: Erdgas-Verwendung in Deutschland nach BDEW
Bild 18: Erdgas-Verwendung in Deutschland nach BDEW
(Bild: Fassbinder)

Um die gesamte Stromlücke von 102 TWh füllen zu können, müssten die vorhandenen Gasspeicher also um 220 TWh erweitert werden. Diese Rechnung lässt jedoch drei Faktoren noch unberücksichtigt:

  • Durch den vermehrten Einsatz von Gaskraftwerken kommt mehr KWK ins Spiel, was einen Teil der Gasheizungen ersetzt.
  • Der Anteil der KWK soll darüber hinaus ohnehin noch steigen (Fernwärmenetze u. a.).
  • Auf der anderen Seite wurde aber auch der zu erwartende Anstieg des Stromverbrauchs vor allem durch Wärmepumpen nicht eingerechnet.

Diese Effekte könnten sich gegenseitig mehr oder weniger aufheben. Fazit ist, dass gerade für die Stromwende Erdgas vorerst noch weniger entbehrlich ist als es jemals war. Andererseits ist es gar nicht so viel, was in diesem Sektor benötigt wird.

So müssten die Haushalte lediglich ≈ 40 % Erdgas einsparen, bis so viel übrigbliebe, wie die Stromwirtschaft insgesamt benötigt (Bild 18) – bzw. Haushalte und Industrie je ≈ 20 %, aber bei den industriellen Prozessen gibt es oft wenig zu drehen.

Und wie jetzt weiter?

Solange die erneuerbare Einspeisung in erster Linie auf Wind und in zweiter Linie auf Sonnenlicht angewiesen ist, wird es also beim gelegentlichen Auftreten einer »Residuallast« bleiben, die beinahe dem momentanen Verbrauch entspricht. Man versteht hierunter die Leistung, die nicht von Erneuerbaren abgedeckt ist und zu den besagten Zeiten nach wie vor durch die Konventionellen beigesteuert werden muss.

Das jährliche Minimum der Residuallast fällt rapide und liegt seit 2015 schon im Negativen, also bei einer Produktion, die – zumindest zu der betreffenden Viertelstunde – den gesamten Stromverbrauch Deutschlands übersteigt. Die Maxima aber werden trotz ­allen Zubaus nicht kleiner – und der Bedarf nach Speicherung mithin auch nicht. Mit fortschreitendem Ausbau von Sonne und Wind werden die Gaskraftwerke jeglicher Art immer häufiger stehenbleiben und seltener laufen (also Gas einsparen) – aber wir benötigen genauso viele davon wie bisher.
Hat sich der Strommarkt nun gerade dahin entwickelt, dass zumindest Windparks auf See sich auf dem freien Markt behaupten und ihren Strom an der EEX kostendeckend verkaufen können, so fehlt es immer noch an der notwendigen Kommunikations-Infrastruktur, sonst könnten private Solaranlagen-Betreiber das auch tun. Dies ändert nur nichts an dem beschriebenen grundsätzlichen Problem, dass sich Wind und Sonne bisweilen gleichzeitig für 10 bis 14 Tage »sehr bedeckt halten«.

Wählt man als Speicherlösung den viel zitierten (nur noch nie irgendwo umgesetzten) Umweg vom Strom zum Wasserstoff und wieder zurück, so steigt der idealisierte Faktor 2 für Sonne und Wind in der Realität gleich fast auf 6. Es fehlt also noch ein Faktor 3 bei den Börsenpreisen, ehe diese Lösung unter derzeitigen Umständen marktfähig wäre – und darin sind die Elektrolyseure auf der einen Seite und Brennstoffzellen oder BHKW auf der anderen Seite noch gar nicht berücksichtigt: Wo eine Windkraftanlage direkt ins Netz einspeist, müssen drei Einheiten Elektrolysestrom erzeugen, damit ebenso viel elektrische Energie aus der Brennstoffzelle herauskommt wie die eine Windkraftanlage direkt ins Netz einspeist. Die Nutzung der mit dem Strom gleichzeitig anfallenden Abwärme erfordert ein Fernwärmenetz und zusätzlich eine Möglichkeit zur Wärmespeicherung in sehr großem Rahmen über lange Zeiträume.

Auch ist von Brennstoffzellen im Beitrag »H2-Ready-Gaskraftwerke« überhaupt nicht die Rede, sondern nur von o. g. reinen Gasturbinen, GuD-Anlagen und Gasmotoren. Vielmehr sträubt sich der Wasserstoff noch sehr, in großen Kraftwerken von z. B. 400 MW verbrannt zu werden. Dazu muss auch noch gesagt werden, dass in dem Beitrag zwar ausgeführt wird, wie viele Kraftwerks-Standorte wie nahe an dem geplanten europäischen Wasserstoffnetz EHB (European Hydrogen Backbone) liegen. Dieses Netz existiert bislang aber nur als Plan, denn noch ist doch völlig unklar, wie man es jemals füllen will. Die Art des »Projekt-Entwurfs« erinnert fatal an Desertec. Ebenso wird darauf hingewiesen, dass »grüner« Wasserstoff zum industriellen Einsatz erst einmal im industriellen Maßstab verfügbar sein muss und dass hiervon in der Praxis noch kein Anzeichen zu sehen ist.

Eine Pflicht zur Einplanung der Umrüstbarkeit gibt es auch noch nicht: »Es wird erwartet, dass Gasturbinen, die mit reinem Wasserstoff betrieben werden können, bis 2030/31 kommerziell verfügbar sein werden«, so die Autorn des Beitrags »H2-Ready-Gaskraftwerke«. Wenn wir bis 2030 noch weiterhin neue Gaskraftwerke errichten, die dann bis 2060 in Betrieb bleiben und nicht umrüstbar sind, werden wir noch sehr lange gewisse Mengen Erdgas einsetzen müssen.

Eine einzelne Technologie ist ohnehin nie die optimale Lösung, sondern die Kombination aller ist gefragt. Auch jetzt leben wir schon damit, dass der Strom momentweise zehnmal so teuer wird wie im Durchschnitt  – und für diese Momente ist der Einsatz von Wasserstoffstrom denkbar. So erscheint eine Energiewende im Stromsektor auch zu 100 % mit erträglichem Aufwand machbar. Ob das wirklich notwendig ist, wird entschieden, wenn die Ausbauziele des jetzigen EEG und damit ein Anteil von gut 80 % Erneuerbarer im Stromnetz erreicht sind.

(Ende der Beitragsserie)

Über den Autor
Autorenbild
Dipl.-Ing. Stefan Fassbinder

Studium der elektrischen Energietechnik. Jahrelange Tätigkeit in der Konstruktion und Entwicklung von Klein-, Ringkern- und Großtransformatoren sowie Relais. War 25 Jahre lang Berater für elektrotechnische Anwendungen beim Deutschen Kupferinstitut in Düsseldorf. Mitglied in der DKE-Kommission K 712 und im UK 221.2 sowie in mehreren Arbeitskreisen.

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