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Grundlagen Elektrotechnik (7)

Das Knotenpunktpotentialverfahren

(Bild: Jakub Krechowicz – stock.adobe.com)

zu Teil 6

Für die Netzwerkanalyse gibt es unterschiedliche Lösungsverfahren wie beispielsweise das Maschenstrom- und das Knotenpunktpotentialverfahren. Im folgenden Beitrag wird das Knotenpunktpotentialverfahren erläutert. Es basiert auf der Knotenpunktpotentialanalyse. Dieses Verfahren kann außer in der Elektrotechnik auch z.B. bei der Analyse von Wärmequellennetzwerken eingesetzt werden.

Knotenpunktpotentialgleichungen

Bild 1: Definition der Knotenpotentiale
Bild 1: Definition der Knotenpotentiale

(Bild: Quelle: alle Bilder A. Baral)

Knotenpotentiale sind die elektrischen Potentiale an verschiedenen Knoten eines Netzwerks – relativ zu einem Referenzknoten. Die Differenz zweier Potentiale ist die Spannung zwischen den Knoten (Bild 1).

Für den Strom – unter Verwendung der Potentialdefinition – ergibt sich:

Bei dem Knotenpunktpotentialverfahren wird ein System von Gleichungen aufgestellt, um die Potentiale an den Knoten eines Netzwerks zu bestimmen. Hierzu werden die folgenden fünf grundlegenden Analyseschritte durchgeführt:

  • Ein Knoten des Netzwerks wird als Referenzknoten ausgewählt. An diesem Knoten wird das Potential als null definiert. Dieser Knoten entspricht somit der Masse des Systems. Die Auswahl des Knotens ist beliebig.
  • Allen restlichen Knoten wird eine Variable zugeordnet, die das Potential relativ zum Referenzpunkt repräsentiert.
  • Es werden die Knotenpunktpotentialgleichungen aufgestellt, die sich aus den Leitwerten der Widerstände und Quellen des Netzwerks ergeben.
  • Die Koeffizienten der Knotenpunktpotentialgleichungen werden in einem Gleichungssystem einsortiert.
  • Mithilfe eines allgemeinen Lösungsverfahrens wird das Gleichungssystem gelöst.

An einem einfachen Netzwerk (Bild 2) werden die fünf Verfahrensschritte erläutert.

Bild 2: Beispiel einer Spannungsquelle mit Lastwiderstand
Bild 2: Beispiel einer Spannungsquelle mit Lastwiderstand
(Bild: A. Baral)

Aufstellen der Knotenpotentialgleichungen

Ein einfaches, systematisches Vorgehen, das sich sowohl in der Elektrotechnik als auch für Wärmequellennetzwerken eignet, stellt die Wandlung aller Spannungsquellen in Stromquellen dar. Die Ströme der Stromquellen lassen sich mit nachfolgender Gleichung (vgl.Teil 6 in EMA 9.2024) bestimmen:

Das umgewandelte Netzwerk aus Bild 2 ist in Bild 3 dargestellt. Aus den Spannungsquellen Uq1 und Uq2 und den dazugehörigen seriellen Innenwiderständen R1 und R2 sind die Stromquellen Iq1 und Iq2 sowie die parallelgeschalteten Innenwiderstände R1 und R2 bzw. Leitwerte G1 und G2 geworden. Im nächsten Analyseschritt sind die Ströme (Bild 4) einzuzeichnen und die Knotengleichungen aufzustellen. 

Der Knoten φ0  wurde als Referenzpunkt mit dem Potential null definiert. Es ist somit in diesem Beispiel nur der Knoten 1 mit dem Potential φ1 relevant. Die Summe der Ströme am Knoten 1 ergibt:

Die Gleichung so umsortiert, dass die Quellen auf der einen Seite und die restlichen Ströme auf der anderen Seite stehen.

Für die einzelnen Widerstände ergeben sich folgende Ströme in Abhängigkeit von den Potentialen und unter Berücksichtigung des Referenzpotentials φ0 = 0V:

Werden die obigen Gleichungen in die Knotengleichung eingesetzt, ergibt sich:

Da dieses einfache Netzwerk nur eine Unbekannte, das Potential φ1, aufweist ist die Lösung sehr einfach aus obiger Gleichung zu ermitteln. In diesem Fall ist es nicht notwendig, ein Gleichungssystem zu lösen. Das unbekannte Potential φ1 kann direkt aus den Stromquellen und Leitwerten des Netzwerks berechnet werden.

Nachdem das Potential φ1 bestimmt wurde, kann mithilfe der Potentialdifferenz der jeweilige Spannungsabfall und Strom durch die Widerstände ermittelt werden. Sollen die Ströme der originalen Spannungsquellen (Bild 2) ermittelt werden, so ergeben sie sich aus der Differenz der Ersatzstromquelle und des Innenwiderstands/Leitwertes.

Bild 3: Ersatznetzwerk mit Stromquellen (li.) - Bild 4: Definition der Stromrichtungen (re.)
Bild 3: Ersatznetzwerk mit Stromquellen (li.) - Bild 4: Definition der Stromrichtungen (re.)

Komplexeres Beispiel für ein Gleichungssystem 

Zur Vertiefung des Themas wird an einem etwas komplexeren Beispiel (Bild 5) gezeigt, wie ein Knotenpunktpotential-Gleichungssystem aufgestellt wird. In dem Netzwerk in Bild 5 sind zwei unbekannte Potentiale vorhanden, daher ergeben sich zwei gekoppelte Gleichungen, die mithilfe eines Gleichungssystems gelöst werden können. Die Umwandlung der Spannungsquellen in Stromquellen ergibt das Netzwerk in Bild 6.

Im nächsten Analyseschritt sind die Ströme (Bild 7) einzuzeichnen und die Knotenpunktpotentialgleichungen aufzustellen. Hier sei erwähnt, dass die Stromrichtung beliebig gewählt werden kann. Es ist jedoch beim Aufstellen der Gleichungen darauf zu achten, dass Strom und Spannung in dieselbe Richtung zeigen (Verbraucher).

Bild 5: Komplexeres Beispiel-Netzwerk
Bild 5: Komplexeres Beispiel-Netzwerk
Bild 6: Netzwerk aus Bild 5 mit Stromquellen
Bild 6: Netzwerk aus Bild 5 mit Stromquellen
Bild 7: Definition der Stromrichtung
Bild 7: Definition der Stromrichtung

Knoten 1:

Werden die Gleichungen ineinander eingesetzt, ergibt sich die erste Knotenpunktpotentialgleichung zu:

Knoten 2:

Für die zweite Knotenpunktpotentialgleichung ergibt sich somit:

In beiden Gleichungen sind sowohl das Potential φ1 als auch das Potential φ2 eine unbekannte Größe. Aus den beiden Gleichungen kann nun ein Gleichungssystem der Dimension zwei erstellt werden:

Für die Lösung von Gleichungssystemen gibt es unterschiedliche Algorithmen wie z.B. den Gauß-Algorithmus oder die Cramer’sche Regel.

Lösung von Gleichungssystemen

Die Lösung von Gleichungssystemen unter Verwendung der Cramer'schen Regel basiert darauf, dass die unbekannten Potentiale mithilfe von Determinanten berechnet werden. Dabei wird das Gleichungssystem in eine Matrixform gebracht und die einzelnen Variablen (Potentiale) lassen sich durch das Verhältnis der Determinanten ermitteln.

Die Lösung einer Determinante ist eine skalare Zahl, die mit einer quadratischen Matrix verknüpft ist. Die Methode zur Berechnung der Determinante hängt von ihrer Größe ab. Für eine kleine 2x2-Matrix ergibt sich:

Für größere Matrizen, wie beispielsweise eine 3x3-Matrix, wird die Berechnung aufwendiger und folgt der Regel von Sarrus oder dem Laplace-Entwicklungssatz, bei dem Determinanten von Untermatrizen gebildet werden. Für das obige Beispiel reicht jedoch die einfache Berechnung der 2x2-Matrix:

Die Matrix Dφ1 setzt sich aus dem  Quellenvektor und der restlichen Leitwertmatrix D zusammen:

Analog zur Determinanten detDφ1 erfolgt analog die Berechnung der Determinante detDφ2 . Es ist jedoch zu beachten, dass der Quellenvektor nun in die zweite Spalte einsortiert wird:

Für die beiden Potentiale ergibt aus dem Quotienten der Determinanten:

Da das Potential φ0 = 0V ist, entsprechen die Potentiale φ1 und φ2 den Spannungen über den Widerständen R1 bis R4. Die Differenz der beiden Potentiale ergibt die Spannung am Widerstand R5. Mithilfe des Ohm’schen Gesetzes lassen sich nun einfach die Ströme ermitteln.

Zur Veranschaulichung und Vertiefung des Verfahrens gibt es nun hier im Online-Beitrag  ein detailliertes Zahlenbeispiel, das Schritt für Schritt die Anwendung und Berechnung verdeutlicht.

Bild 8: Ausgangssituation des Zahlenbeispiels
Bild 8: Ausgangssituation des Zahlenbeispiels

Zahlenbeispiel

In Bild 8 wird ein konkretes Zahlenbeispiel für die Schaltung aus Bild 5 dargestellt, das die theoretischen Konzepte anschaulich anhand von Zahlen verdeutlicht.

Im ersten Schritt werden die Spannungsquellen in Stromquellen gewandelt:

Die Widerstände werden in Leitwerte umgerechnet, beispielsweise für den Widerstand R1:

Für das Gleichungssystem, das aus zwei Gleichungen besteht, ergibt sich:

Die Lösung der Gleichungssystems erfolgt mithilfe der drei definierten Determinanten:

Mithilfe der Determinanten werden die beiden Potentiale ermittelt:

In Bild 9 sind die Leitwerte, Stromquellen und Potentiale eingezeichnet. Aus den jeweiligen Potentialdifferenzen lassen sich die Spannungsabfälle bestimmen. Mithilfe des Ohm‘schen Gesetzes werden dann die Ströme berechnet. Zum Beispiel ergeben sich für die Spannung und den Strom am Widerstand R5 folgende Werte:

Die negativen Vorzeichen der Spannung U5 und des Stromes I5 bedeuten, dass der Strom I5 nicht in die im Bild eingezeichnete und anfänglich angenommene Richtung fließt, sondern in die genau entgegengesetzte Richtung. Dies führt auch zu einer Umkehr der Spannungsrichtung am Widerstand R5.

Bild 9: Ergebnisse des Zahlenbeispiels
Bild 9: Ergebnisse des Zahlenbeispiels

Anwendung der Knotenpunktpotentialanalyse bei thermischen Analysen

 

Bild 10: Thermisches Netzwerk
Bild 10: Thermisches Netzwerk

Eine thermische Analyse, beispielsweise einer elektrischen Maschine oder eines Gebäudes, kann mithilfe von Wärmequellennetzwerken durchgeführt werden. Dabei werden die auftretenden Verlustleistungen als Wärmequellen betrachtet, die den Stromquellen in elektrischen Netzwerken entsprechen. Der Temperaturabfall ergibt sich aus der Temperaturdifferenz zwischen den Temperaturpotentialen. In Bild 10 ist ein sehr einfaches thermisches Netzwerk dargestellt, das aus einer Wärmequelle, die beispielsweise die Kupferverlustleistung Pv einer elektrischen Maschine repräsentieren kann, sowie einem thermischen Widerstand besteht.

In Anlehnung an das elektrische Netzwerk und das Ohm'sche Gesetz kann die Temperaturdifferenz   in einem thermischen Netzwerk auf ähnliche Weise wie die Spannung in einem elektrischen Netzwerk betrachtet werden. Entsprechend dem Prinzip des Ohm'schen Gesetzes für Wärmeübertragung wird die Temperaturdifferenz durch das Produkt des thermischen Widerstands und des Wärmeflusses (vergleichbar mit dem Strom in elektrischen Netzwerken) bestimmt:

bzw. mit dem Leitwert:

Bei thermischen Größen entspricht die Leistung PV dem sogenannten Wärmestrom (Wärmeleistung):

In Tabelle 1 sind die Analogien zwischen einem elektrischen und einem thermischen Ersatzschaltbild übersichtlich dargestellt. Diese Tabelle ermöglicht es, jedes thermische Wärmequellennetzwerk in ein entsprechendes elektrisches Netzwerk zu überführen. Die Struktur eines thermischen Netzwerks entspricht dabei der eines elektrischen Netzwerks, sodass dieselben Prinzipien und Methoden angewendet werden können. Insbesondere kann das Knotenpunktpotentialverfahren, das üblicherweise für elektrische Netzwerke verwendet wird, auch auf thermische Netzwerke angewendet werden, um die Temperaturverteilungen zu berechnen.

Tabelle 1
Tabelle 1

Mit diesem Überblick über die Berechnung kleiner elektrischer Netzwerke und die Anwendung der thermischen Analogie endet die Beitragsreihe zur Analyse von Gleichstromnetzwerken.

Im nächsten Grundlagenbeitrag wird das elektrische Feld ausführlich erläutert.

(Ende der Beitragsreihe)

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Über den Autor
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Prof. Dr.-Ing. Andreas Baral

Elektrische Maschinen und Antriebstechnik, PHWT – Private Hochschule für Wirtschaft und Technik, Vechta

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