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Hochschulerfindungen

Von der Idee zum fertig vermarkteten Objekt

Von der Idee zum  fertig vermarkteten Objekt
(Bild: Sadushi (KI-gen.) – stock.adobe.com)

Ein betagter deutscher Schwarz-Weiß-Film aus den 1950er-Jahren zeigt einen verzweifelten Ferdinand Sauerbruch, wie er in einer stürmischen Nacht, in seiner Kemenate sitzend und sich die Haare raufend, endlich von einem vom Wind auffliegenden Fenster den Weg gezeigt bekommt, der ihn zu seiner Erfindung der Unterdruckkammer für Operationen am offenen Brustkorb führt. Augenblicklich macht er sich noch in derselben Nacht mit seinem aus dem Schlaf gerissenen Assistenten an das Werk und wenige Zeit später erfolgt die erste (allerdings misslungene) Operation. Ein heldenhafter Anblick. Leider sieht die Realität anders aus und der Weg ist mühsamer und beileibe auch nicht immer erfolgreicher. Hilfe für die Forschenden gibt es über eine Institution.

Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft

Bild 1: Oliver Werche ist Manager Patente & Lizenzen bei Provendis
Bild 1: Oliver Werche ist Manager Patente & Lizenzen bei Provendis

(Bild: Provendis GmbH)

So existiert seit 2001 die Provendis GmbH, die sich das Ziel auf die Fahnen geschrieben hat, ein Dienstleistungsunternehmen im Bereich von Technologietransfers zu sein. Das Unternehmen wird von den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen getragen. Diese beauftragen Provendis als zentralen Dienstleister für die Bewertung, den Schutz und die Vermarktung von »Intellectual Property« (IP), übersetzt: geistiges Eigentum. Man bewertet Ergebnisse aus Forschung und Entwicklung mit dem Ziel, dieses neu entstandene geistige Eigentum zu sichern und ertragsorientiert zu nutzen. Dazu werden Marktanalysen angefertigt, potenzielle Lizenznehmer gesucht und Vertragsverhandlungen durchgeführt.

Dabei ist für Dipl.-Ing. Oliver Werche (Bild 1), Manager Patente & Lizenzen bei Provendis, klar: »Natürlich kommen wir als Vermittler nicht an die Expertise der Erfinder ran, aber das ist auch gar nicht nötig. Wir müssen davon so viel verstehen, dass wir die Vertriebswege gut unterstützen und auch die Wege in Richtung Schutzrechte optimal begleiten können

Man bietet bei der Provendis GmbH aber auch den genau umgekehrten Weg an, nämlich von den Unternehmen oder Herstellern in Richtung der Universitäten (Bild 2): »Es gibt bei uns auch einen ‚Vertriebsweg II‘, damit ist das Projekt ‚Innovation to business‘ gemeint. Hier drehen wir sozusagen den Spieß um und sprechen einzelne Unternehmen an, was diese sich konkret von den Hochschulen in NRW wünschen, um bei ihren innerbetrieblichen Projekten unterstützt zu werden,« so Oliver Werche und fügt an: »Man muss aber auch wissen, dass wir in diesem Zusammenhang kein privates Beratungs­institut sind, sondern den Hochschulen des Landes gehören. Das ist auch politisch so gewünscht und wir werden vom Landesministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie entsprechend gefördert.«

Wie man auf die betreffenden Unternehmen zugeht, erklärt er so: »Wir bei Provendis sind eine Art Navigationssystem, das für die Industrie(betriebe) in der Hochschullandschaft von NRW auf die Suche geht, um die gewünschten Kompetenzen zu finden. Sind diese vorhanden, geht es, vom gesamten Prozess her betrachtet, viel schneller für die betreffende Firma voran, als wenn sie das alleine machen würde. Natürlich könnte das der Industriebetrieb auch alleine bewerkstelligen, sonst wäre er ja nicht erfolgreich am Markt vertreten, aber er würde einfach wertvolle Ressourcen nicht nutzen und sich so Technologievorteile entgehen lassen.«

Bild 2: Auch der umgekehrte Weg ist möglich – Unternehmen werden gezielt gefragt, was sie sich für ihr anstehendes Projekt wünschen
Bild 2: Auch der umgekehrte Weg ist möglich – Unternehmen werden gezielt gefragt, was sie sich für ihr anstehendes Projekt wünschen
(Bild: Provendis GmbH)

Aktuelle Beispiele

Um das Ganze plastischer zu machen, werden nachfolgend zwei Beispiele aus der Zusammenarbeit von Provendis mit der Technischen Hochschule Köln (TH Köln) vorgestellt. Diese wurden auch im vergangenen Februar auf der Messe »E World 2024« demonstriert.

E-Mobilität – System zur Erhöhung der Netzauslastung

In der Broschüre zur Messe lautete es: »Beim Thema Elektromobilität spielt die Frage nach der Ladeinfrastruktur eine entscheidende Rolle. Zukünftig wird es eine Vielzahl von Ladestationen für Elektrofahrzeuge geben, die zeitweilig eine hohe elektrische Leistung aus dem Versorgungsnetz beziehen. Wenn alle Fahrzeuge gleichzeitig geladen werden sollen, muss eine Überlastung des Netzes verhindert werden.«

Einen Lösungsansatz, den sogenannten »GridMaximizer«, präsentierten die Erfinder Professor Dr. Eberhard Waffenschmidt und Professor Dr. Ingo Stadler (Bild 3) vom Institut für Elektrische Energietechnik der TH Köln: »Mit dem ‚GridMaximizer‘ haben wir ein System zur Erhöhung der Netzauslastung entwickelt. Durch eine Kommuni­kation der Messdaten der einzelnen Ladestationen untereinander ­können diese ein umfassendes Bild über den aktuellen Zustand des Stromnetzes gewinnen und so zum Beispiel dezentral die maximale Ladeleistung ermitteln.«

Bild 3: Professor Dr. Ingo Stadler (li.) und Professor Dr. Eberhard Waffenschmidt von der TH Köln in ihrem Labor
Bild 3: Professor Dr. Ingo Stadler (li.) und Professor Dr. Eberhard Waffenschmidt von der TH Köln in ihrem Labor
(Bild: E. Waffenschmidt / TH Köln)

Genauer gesagt, um eine Überlastung an dem zuständigen Transformator zu verhindern – im Falle des gleichzeitigen Ladens – sollen die betreffenden Ladesäulen / Wall­boxen per »Open Charging Point Protocoll« (OCPP), den Ladevorgang selbst »in die Hand nehmen« und mit den anderen Wallboxen kommunizieren können. Dies realisiert zunächst ein externes Steuergerät.
Prof. Dr. Eberhard Waffenschmidt: »Unsere Idee ist, dass die Ladeboxen, die in einem Stromnetzzweig hintereinandergeschaltet sind, miteinander kommunizieren und Messergebnisse austauschen. Damit ‚wissen‘ die Geräte nicht nur, was an der Anschlussstelle los ist, sondern auch an anderen Stellen des Stromnetzes.«

Durch den Austausch der Daten zwischen den Messpunkten entsteht ein umfassendes Bild des aktuellen Zustands des Stromnetzes. Dies ermöglicht es, die maximale Lade­leistung für Ladestationen zu bestimmen, ohne die Stabilität des Netzes zu gefährden. Prof. Waffenschmidt: »Die Ladepunkte legen dann aufgrund der Netzsituation ein maximales Leistungsbudget fest, welches auch variieren kann. Das lässt dann nachts oder mittags bei viel PV-Einspeisung ein höheres Budget zu. Die Ladepunkte würden aber auch feststellen, dass die Leitungen abends zur Fernsehzeit eher schon ausgelastet sind. Das würde dann das Budget verringern und das Laden von ­E-Autos auf einen Zeitpunkt verschieben, zu dem die Leitungen wieder ‚frei’ sind.«

Durch diese dezentralisierte Kommunikation aller Geräte untereinander kann ein »Single Point of Failure« (SPOF; sinngemäß: der Ausfall eines Geräts zieht den Ausfall ­aller Geräte des Systems nach sich) ausgeschlossen werden. Die einzelnen Geräte agieren somit wie in einem Schwarm. Das Konzept wird daher auch als »Swarm Grid« bezeichnet (Bild 4).

Den Unterschied zu den schon vorhandenen Lademanagement-­Systemen sieht Prof. Waffenschmidt so: »Hier ist man auf einen Betreiber oder Investor festgelegt, der sich zu einem Zeitpunkt um alles kümmert und man ist als Nutzer an diesem einen System angeschlossen. Wir zielen eher auf eine Situation ab, die es zulässt, dass ganz unterschiedliche Nutzer, zu unterschiedlichen Zeitpunkten aktiv werden und ihre Lade­leistung dem Netz entnehmen können, ohne dass der Nutzer aufgrund der fehlenden Kapazität eines geschlossenen Systems nicht mehr den Ladevorgang starten könnte. Ziel ist es, das System ‚plug-and-play-fähig‘ zu machen. Schließt der Kunde seine Wallbox an, kann diese sich mit den anderen Boxen austauschen und in das vorhandene System einklinken.«

Bild 4: Anhand der Messdaten (wie Strom, Spannung oder Spannungsphasenwinkel) der anderen Geräte kann jedes Steuergerät sowohl die Topologie als auch den Zustand des Niederspannungsnetzes rekonstruieren
Bild 4: Anhand der Messdaten (wie Strom, Spannung oder Spannungsphasenwinkel) der anderen Geräte kann jedes Steuergerät sowohl die Topologie als auch den Zustand des Niederspannungsnetzes rekonstruieren
(Bild: E. Waffenschmidt / TH Köln)

Steuerungsverfahren für variable Ausgangsspannungen

Flexible Ladegeräte für Batterien (insbesondere im Bereich der E-Mobilität), Brennstoffzellenanwendungen oder flexible Photovoltaik-Batteriekombinationen, alle enthalten Schaltnetzteile mit Gleichspannungswandlern, kurz DC-DC-Wandler. Üblicherweise lässt sich das Spannungsverhältnis zwischen Ausgangs- und Eingangsspannung bei galvanisch isolierenden DC-DC-Wandlern nur moderat im Bereich 1:2 variieren. Nicht so jedoch bei dem neuartigen bidirektionalen, galvanisch isolierendem resonanten DC-DC-Resonanzwandler (Bild 5). Er ermöglicht die flexible Einstellung des Spannungsverhältnisses im Bereich 1:4, was für Serienresonanzwandler unter Beibehalt der Vorteile dieser Wandler neu ist. So konnten insbesondere sehr hohe Teillasteffizienzen bis zu  99,4 % bei 10 % der Nennleistung erzielt werden, was insbesondere bei der Netzstützung von Elektrofahrzeugen (V2G) von hoher Relevanz ist.

Bild 5: Der DC-DC-Resonanzwandler als Prototyp
Bild 5: Der DC-DC-Resonanzwandler als Prototyp

(Bild: C. Dick / TH Köln)

Professor Dr. Christian Dick von der Technischen Hochschule Köln (TH Köln) schildert die Ausgangssituation so: »Wir arbeiten grundsätzlich mit einem Serien-­Resonanzwandler (SRC), der für die Sicherstellung der Bidirektionalität eingangs- und ausgangsseitig eine Vollbrücke an Siliziumcarbid MOSFETs aufweist. Zwischen den Halbleiterbrücken ist der Resonanzkreis aufgebaut, welcher neben den Resonanzkondensatoren und Induktivitäten auch den Hochfrequenztransformator beinhaltet.

Der Wandler arbeitet direkt in Resonanz bei über 170 kHz, wobei zur Regelung eingangs- oder ausgangsseitig Freiläufe für ganze Resonanzhalbperioden eingestellt werden. Als Resultat entspricht dies – anschaulich gesagt – dem Effekt, wenn man im Gleichschritt über eine Brücke geht und damit die Eigenfrequenz der Brücke anregt; das schwingungsfähige System schaukelt sich auf bzw. bei invertierter Anregung ab. Bei den hohen Taktfrequenzen von > 170 kHz ist daher die Vermeidung der ­Resonanzkatastrophe nicht trivial, wobei zusätzlich eine Transformatorsättigung aus­geschlossen wird.«

Im klassischen Resonanzwandler takten beide Vollbrücken mit den aktiven Zuständen, es stellt sich in Abhängigkeit der übertragenen Leistung eine konstante Resonanzstromamplitude ein, das Spannungsübersetzungsverhältnis ist konstant. Wird nun bei der Eingangsseite z. B. bei jeder fünften Resonanzhalbschwingung ein Freilauf eingefügt, dann wird dem Resonanzkreis weniger Energie zugefügt. Als Konsequenz sinkt die Ausgangsspannung und die Stromamplitude ist nicht mehr konstant. Werden die Freiläufe ausgangsseitig eingebaut, dann wird die Ausgangsspannung angehoben.  

Zusätzlich gibt es noch eine Neuheit: »Wir haben eine Methode entwickelt, mit der unsere Erfindung die Halbleiterschalter im Schalt­augenblick entlastet, und das unabhängig von der übertragenen Leistung. Dies führt zu hohen Teillasteffizienzen, die eine besondere Relevanz erhalten, wenn Elektrofahrzeuge mit den Ladegeräten netzdienliche Funktionen übernehmen werden. So erreichten wir Spitzenwirkungsgrade von über 99 % bei nur 10 % der Nennleistung«, ergänzt Prof. Dr. Christian Dick.

Derzeitiger Stand und Ausblick

Beide vorgestellten Erfindungen sind mit Blick auf die zu bewältigenden Probleme in Sachen Energiewende ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Die TH Köln hat bereits ein Patent in Deutschland angemeldet (»GridMaximizer«) oder es wurde eine Patentanmeldung eingereicht (»DC-DC-­Konverter«).

Interessant wird sein, in wenigen Jahren einen erneuten Blick auf den weiteren Verlauf zu werfen oder auch das Geschehen in NRW insgesamt und die Zusammenarbeit mit der Provendis GmbH zu verfolgen. Denn wie eingangs schon erwähnt, hinkt Deutschland in Sachen Erfindungen im internationalen Vergleich nicht unbedingt hinterher. Das allein zeigt schon die stolze Zahl von ca. 30 000 patentrelevanten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den Bereichen Natur-, Ingenieurwissenschaften, Medizin, die von Provendis betreut werden. Doch die Bereitschaft aller – gesellschaftlich wie politisch – tatsächlich an einem Strang zu ziehen und das »große Ganze« im Blick zu haben, könnte man kritisch hinterfragen.

Über Provendis

Provendis (www.provendis.info) ist zentraler Dienstleister rund um die Themen »Intellectual Property« (IP) und Schutzrechte für die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen. 29 Hochschulen in NRW sind Gesellschafter der Provendis GmbH. Provendis betreut ca. 30.000 patentrelevante Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und ist einer der größten Dienstleister für IP-­Management und Technologietransfer in Europa. Neben den Hochschulen in NRW erbringt Provendis auch Dienstleistungen für Hoch­schulen außerhalb NRWs, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sowie Unternehmen.

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Über den Autor
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Marcel Diehl

Redaktion »de«

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