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Oldenburger Schlüsselgespräche

Über die Rückkehr zur Leistung

Bild 1: Auf dem Podium saßen (v. l.) Max Oevermann, Lukas Bäcker, Jan-Bastian Buck, Rüdiger Maas und Gert Mora Motta
Bild 1: Auf dem Podium saßen (v. l.) Max Oevermann, Lukas Bäcker, Jan-Bastian Buck, Rüdiger Maas und Gert Mora Motta
(Bild: Redaktion »de«)

So hieß es in der Einladung, der etwa 80 Gäste gefolgt waren: »Die einst vorbildliche deutsche Lehre ist zu einem Problem-Fall geworden. Doch große Reformen sind nicht in Sicht. Eher wird auf die seit Jahren sinkenden Leistungen mit sinkenden Ansprüchen reagiert. (…) Spätestens mit Eintritt in die Arbeitswelt prallen orientierungs- und leistungsferne Jugendliche dann brutal mit der Realität zusammen. (…) Genervt richtet die Gesellschaft den Blick auf die arbeitsscheue ,Generation Z‘. Unternehmer schlagen die Hände über dem Kopf zusammen – denn am Ende bleibt die Aufgabe an ihnen hängen, diesem Nachwuchs etwas abzuverlangen. (…) Wie also können wir unseren Nachwuchs zurück­holen?« ()

Provokanter Einstieg

Als Key-Note-Sprecher engagierte man Rüdiger Maas, Dipl.-Psychologe sowie Gründer und Vorstand des Instituts für Generationenforschung. Maas nahm nach seinem Vortrag auch auf dem Podium Platz (Bild 1). Er konfrontierte die Zuhörer mit teilweise provokanten Sätzen wie »Wir sind mittlerweile zu ‚Fans‘ unserer eigenen Kinder geworden, das ist nicht gut« oder auch der These: »Wir suggerieren permanent unseren Kindern, dass sie die Besten sind!« Kindern fehlten dann die Vorbilder. Sie fortwährend, um ihre Meinung zu fragen und diese sogar über die der Erwachsenen zu stellen, bürde ihnen eine moralische Last auf. Zudem hätten ständiges Entertainment und Nachgiebigkeit negative Folgen für die Entwicklung der Heranwachsenden. Vielen sei nicht klar: »Überbehütung hat die gleiche Wirkung wie Vernachlässigung.«

Fragt man Mitglieder der »GenZ«, was sie sich von ihrem Beruf oder Arbeitsplatz wünschen, stehen die Punkte »angenehmes Arbeitsklima« und »interessante Tätigkeit« ganz oben in der Rangliste. Dem hielt Maas entgegen: »Die Punkte wie ‚innovatives Unternehmen‘ oder ‚kreative Tätigkeit‘ rangieren ganz unten. Daraus sehen wir, dass wir es mit einer recht konservativen Gruppe zu tun haben«.

Wie also damit umgehen? »Sprechen Sie sie mit einfachen Botschaften an, die authentisch und alltagsnah rüberkommen«, so der Referent (Bild 2) und leitete mit seinem Schlusssatz zur Diskussionsrunde über.

Bild 2: Wie spreche ich die »GenZ« am besten an – eine Illustration während des Vortrag von Rüdiger Maas
Bild 2: Wie spreche ich die »GenZ« am besten an – eine Illustration während des Vortrag von Rüdiger Maas
(Bild: R. Maas)

Vom Bewerber zum Umworbenen

Wie mit dieser Generation umzugehen sei, diskutierten in der nach dem Vortrag folgenden Debatte – neben Rüdiger Maas – der Oberstudiendirektor Gerd Mora Motta, sowie die beiden erfolgreichen Mittelständler Max Oevermann der Firma Alfons Diekmann aus Damme und Lukas Bäcker aus der Meyer-Technik-Unternehmensgruppe (Bild 1). Auch das Publikum aus Auszubildenden sowie Abgesandten der Handwerkerinnungen Niedersachsens und Bremen beteiligte sich rege. Die Moderation hatte Jan Bastian Buck, der u.a. den Podcast »Moin Handwerk« der Handwerkskammer Oldenburg moderiert.

Maas kritisierte den Versuch von Unternehmen, sich dafür verantwortlich zu fühlen, dass ihre Mitarbeiter Spaß bei der Arbeit hätten. »Absoluter Irrsinn«, so der Psychologe. Arbeitgeber müssten Geld und Struktur vorgeben, mehr nicht. Arbeit sei kein Spaß. Dies zu denken, sei eine Utopie: »Wenn ich einen Vertrag unterschrieben habe, dann um acht Stunden etwas abzuleisten und nicht, um acht Stunden bespaßt zu werden«, so Maas. Auch das Anlocken über »Goodies« und Absenken von Bewerbungsanforderungen führe in die falsche Richtung. »Wenn ich zu viel anbiete, entwerte ich mein Angebot. Wer nichts machen muss, verliert das Interesse.«

Demgegenüber argumentierte Lukas ­Bäcker, dass aktuell von zehn Ausbildungsstellen nur eine besetzt sei. Wenn der Nachbar niedrigschwellige Angebote macht, könne man es sich schwerlich leisten, die Schwelle höher zu setzen: »Ich muss unternehmerisch denken, da ist es mir lieber, wenn ich die potenziellen Azubis erst einmal bei mir im Betrieb habe und ein Grundstock an ‚Benefits‘ ist heutzutage obligatorisch.« Interessant war in diesem Zusammenhang auch ein Statement eines Besuchers: »Benefits sind o.k., doch ich finde es wichtiger, dass ich mit meinem Chef reden kann.«

Wie sich Firmen präsentieren

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Ausgangspunkt für den zweiten Teil der ­Podiumsdiskussion war ein Video der Alfons Diekmann GmbH in Damme. Hier war Max Oevermann zu sehen, der als Ausbildungsleiter auftritt und das Interesse der Zuschauer für die Ausbildung im Elektrohandwerk wecken möchte (www.diekmann-karriere.tv/ausbildung). Das kurz gehaltene Video (1:04 min.) setzt einzelne Arbeitsthemen geschickt in Szene (Bild 3) und es fällt auf, dass der Erstkontakt stark vereinfacht ist (»Blitzbewerbung« oder »Schreib mich an auf WhatsApp« ).

Das alles roch etwas nach »Wir machen es den Kandidaten zu leicht«. Demgemäß argumentierte Rüdiger Maas: »Ich bin mir nicht sicher, ob ich jemanden in meinem Betrieb haben möchte, der keinen Lebenslauf schreiben kann.« Dies konterte Max Oevermann mit dem Satz: »Und ich möchte keinen Bürokraten.«

Debattiert wurde auch über den Umgang mit fehlendem Wissen oder schwierigen Einstellungen. So investieren Bäcker und Oevermann seit Jahren in einen umfangreichen Einarbeitungsprozess, intensive Betreuung und klare Regeln. »Wir müssen oft Grundwissen vermitteln, zum Beispiel in welche Richtung man eine Schraube anzieht. Wir beschweren uns aber nicht über das Niveau, wir arbeiten damit«, so Oevermann. Bäcker sah die Aufgabe, die jungen Menschen für den Beruf zu begeistern, beim Unternehmen und warb um Verständnis für den Prozess der Entscheidungsfindung von jungen Menschen.

Schule und Bürokratie

Auch zu Beginn der dritten Diskussionsrunde wurde ein Video eingespielt, das den Philosophen Richard David Precht zusammen im Gespräch mit dem Bildungsdirektor der OECD Andreas Schleicher zeigt (www.youtube.com und dann »dPQEBa6xw« eingeben). Schleicher plädiert hier für mehr Kreativität in den Führungsebenen der Schulen und sagt auch den denkwürdigen Satz: »Der Glaube an die Bürokratie ist eigentlich schlimmer als die Bürokratie selbst.« Dem pflichtete auch Gert Mora Motta bei. Er ist Leiter des Bildungszentrums für Technik und Gestaltung der Stadt Oldenburg und sagte: »Ich kann heute nicht mehr glauben, was ich sehe. Ich muss alles kritisch hinterfragen. Wie beeinflusse ich das Internet und wie beeinflusst es mich?« Eine kritische Sicht auf digitale Medien müsste bereits in den ersten Klassen der Schulen vermittelt werden.

Auf die Frage des Moderators Jan-Bastian Buck, was er denn ändern würde, sagte Mora Motta spontan: »Ich würde 50% der Inhalte der heutigen Lehrpläne rausschmeißen. Es gibt hier viele Beispiele, bei denen mich die Behörde stört!« Und weiter: »Das System ist am Ende. Ich appelliere dafür, neue Wege zu gehen!«

Fazit

Jeder, der sich mit der Ausbildung befasst oder befassen muss, weiß, dass wir nicht mehr so weitermachen können wie bisher. In wenigen Stunden arbeiteten die Beteiligten in aller Deutlichkeit heraus, dass die Herausforderungen enorm sind, sei es, wieder mehr junge Menschen in einen handwerklichen Beruf zu bekommen oder der Umgang mit den gänzlich anderen Bedürfnissen der »GenZ«. Dazu kommen betonartige Strukturen eines Schulsystems, in denen es Menschen mit Kreativität nicht gerade leicht haben. Diskussionen wie diese in Oldenburg können aber dazu beitragen, sich den Anforderungen bewusst zu werden, andere Sichtweisen oder bestehende Projekte kennenzulernen und dann in Summe die Erkenntnisse auf die eigenen betrieblichen Bedürfnisse zu übertragen. Es liegt viel Arbeit vor uns.

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Über den Autor
Autorenbild
Marcel Diehl

Redaktion »de«

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