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Nachbericht zu den VdS-Brandschutztagen 2024

Wie Luftballons beim Brandschutz helfen

Tanne Brandschutz
Auf den VdS-Brandschutztagen 2024 war die passende Weihnachtsdekoration für Brandschutz-Profis zu finden
(Bild: Kalscheuer)

Aktueller Bandschutz beschränkt sich längst nicht mehr nur auf die Installation von Sprinkleranlagen und den Einsatz von Feuerlöschern. Auf den VdS-Brandschutztagen in der Koelnmesse war die ganze Bandbreite von Remote-Services, Predictive Maintenance (vorausschauende Wartung) und vernetzten Ferndiagnose-Tools für Brandmeldeanlagen und Löschanlagen zu sehen. Doch mit modernen Brandschutzeinrichtungen ergeben sich auch neue Risiken, wie der bvfa Bundesverband Technischer Brandschutz e.V. als Partner der Brandschutztage zu bedenken gibt. Denn was online oder vernetzt zugänglich ist, wird jederzeit durch Cyberangriffe oder Manipulationsversuche bedroht – da bildet die Brandschutztechnik keine Ausnahme.

2 Tage, 8 Fachtagungen, 150 Aussteller, 4.600 Fachbesucher

ZZ Brandschutz
Daumen hoch für den Brandschutz: Martin Bröker, Fachberater Brandschutz bei Zapp-Zimmermann, stellte neue Kabelabschottungen vor

(Bild: Kalscheuer)

In der Ausstellungshalle 10.1 der Koelnmesse gab es eine entsprechend große Vielfalt an Brandschutzlösungen zu sehen. Vorführungen zu faseroptischen linearen Wärmemeldern, Funk-Brandwarnanlagen, Gefahrenmanagement-systeme, Sicherheitsplattformen, Druckbelüftungsanlagen Wassernebel-Sprinkler und Brandschutzschäume wurden ergänzt durch die 150 Aussteller, die von vorbeugendem Brandschutz, Abschottungen, über Alarmierung bis hin zu Sicherheitsleitsystemen zur Evakuierung alles präsentierten, was die rund 4.600 Fachbesucher erwartet hatten.

Forum Brandschutz
Für alle Messebesucher gab es interessante Vorträge im Zukunftsforum Brandschutz, beim Brandschutz-Talk sowie im Ausstellerforum

(Bild: Kalscheuer)

Im Zukunftsforum Brandschutz bzw. dem Ausstellerforum wurden natürlich die beliebten »Dauerbrenner«-Themen aufgegriffen, die von IoT-Brandschutz über Brandbegrenzung bei Lithium-Ionen-Akkus bis hin zu Brandschutz für PV-Anlagen und Blitz- und Überspannungsschutz reichten. Viele der Besucher nahmen zudem an einer oder zwei der acht Fachtagungen teil, die an beiden Tagen in den angrenzenden Kongresssälen stattfanden.

So konnte am ersten Veranstaltungstag die VdS-Fachtagung Sprachalarmanlagen (SAA) besucht werden, die sich der Sprachverständlichkeit samt dazu nötiger Nachweise und Messverfahren sowie Kompressionsverfahren und STI-Verfahren (Sprachübertragungsindex) widmete. Mit Blick auf die neue Leitlinie VDE 0826-10:2024-06 wurde anschließend gemeinsam mit den Firmen Bosch und Siemens die Vernetzung von Sicherheitssystemen unter die Lupe genommen.

Vereinfachtes Planungsverfahren für Sprachalarmierung

Für die anwesenden Planer wurde es mit dem Vortrag von Thomas Steinbrecher vom gleichnamigen Ingenieurbüro besonders spannend: Er stellte das vereinfachte Planungsverfahren zur Anwendung unter akustisch unkomplizierten Umgebungsbedingungen gemäß der Norm DIN VDE 0833-4:2024-06 vor. Dabei gab es nicht nur wichtige Informationen über die Voraussetzungen und Grenzen des vereinfachten Verfahrens, sondern auch darüber, wie es sich vom ausführlichen Planungsverfahren abgrenzt und welches einfach zu bedienende Simulationsprogramm hier unterstützt.

So erfuhren die Teilnehmer, dass bei der Erfassung der kompletten (repräsentativen) statistischen Verteilung für jeden ADA (acoustically different area, akustisch abgrenzbarer Bereich) beim vereinfachten Planungsverfahren kleine Flächen unter 10 m2 nicht berücksichtigt werden müssen. Ebenso reichen je ADA drei Messungen an verschiedenen Orten statt Wiederholungsmessungen bei Verwendung des STIPA-Verfahrens (STIPA = Speech Transmission Index for Public Address Systems, eine vereinfachte Messmethode der Sprachverständlichkeit einer Übertragungsstrecke). Ob das vereinfachte Verfahren angewendet werden darf, ist allerdings vorab planerisch festzulegen. Die Bedingungen hierfür sind u.a.: eine Nachhallzeit kleiner als eine Sekunde, Störgeräusche unter LAeq = 65 dB und mindestens 15 dB Störabstand. Ansonsten ist ein ausführliches Planungsverfahren vonnöten. 

Mit Luftballons gegen schallharte Betonflächen

Das ausführliche Planungsverfahren kam im 70er-Jahre-Schulgebäude zum Einsatz, das Melanie Ziska (Save audio solutions) vorstellte. Hier mussten offene Treppenräume und ein geschossübergreifender Flur mit Dachfenstern – die größten schallharten Flächen aus Beton und Glas – mit einer Sprachalarmanlage ausgestattet werden, deren Durchsagen natürlich auch in schülerdurchfluteten Pausenzeiten problemlos zu verstehen sein sollten. Frau Ziska gab nicht nur den Tipp, platzende Luftballons als Schallquelle für die Tests vor Ort zu nutzen, sondern sie empfahl auch, die Temperatur und die Luftfeuchte zur Kalibrierung des Modells zur Berechnung der Sprachalarmierung einfließen zu lassen. Mit einem akustischen Zwilling auf dem PC kann dann das Beschallungskonzept und die Lautsprecherauswahl einfacher erfolgen. Für die Simulation wurde in diesem Fall die Simulationssoftware »Ease Evac« von AFMG eingesetzt.

Zum Tagungsende widmete sich Torsten Pfeiffer (VdS Schadenverhütung) in seinem von den Teilnehmern mit Spannung erwarteten Vortrag den neuesten Entwicklungen aus der Welt der Normen und Richtlinien. Hier gab es Tipps und aktuelle Informationen zur Instandhaltung von Sprachalarmanlagen nach DIN VDE 0833-1+4 sowie zu den Fernwirkdiensten nach DIN EN 50710 und den Selbsttesteinrichtungen gemäß dem Richtlinien-Entwurf VdS 3860. Zudem erinnerte er an die Dokumentationspflichten bei der Überprüfung (Störgeräuschpegel, Nutzschallpegel und Sprachverständlichkeit) und kündigte an, dass es bald beim Thema Inspektion und Wartung eine Änderung hin zur präventiven Instandhaltung geben wird.

Brandmeldeanlagen in IT-Räumen und Rechenzentren

BMA Brandschutz
Die Themen der VdS-Fachtagung Brandmeldeanlagen sorgten dafür, dass sich der Offenbachsaal in der Koelnmesse rasch mit Teilnehmern füllte

(Bild: Kalscheuer)

Am zweiten Veranstaltungstag fand die VdS-Fachtagung Brandmeldeanlagen (BMA) statt. Auch hier gab es Neuigkeiten rund um aktuelle Normen, aber auch zur videobasierten Branderkennung und zu Brandschutzkonzepten für IT-Räume und Rechenzentren. In ihrem gemeinsamen Vortrag machten Bettina Bormann und Heike Menna Siefkes (VdS Schadenverhütung) deutlich, dass Elektro-Brände im IT-Bereich zu hohen Schäden und Ausfallzeiten führen können, und die baurechtlichen Vorschriften somit nicht ausreichend für Rechenzentren mit Hochverfügbarkeit sind.

Die nach IT-Größe, Verfügbarkeitsanforderung und Funktionsbereich vergebenen Schutzklassen 1 bis 4 erfordern ab Klasse 2 sowohl Brandmeldeüberwachung als auch Feuerlöschanlagen in Kalt- und Warmgang-Konzepten. Das Schutzziel minimaler Hardware-Schäden und Ausfallzeiten kann über Früherkennung (Ansaugrauchmelder) und rasche Intervention (Nebelsprinkler, Aerosol- oder Inertgas-Löschanlagen) bzw. Sauerstoffreduzierung erreicht werden. Dabei seien besonders Ventilation, Luftströmungen, Druckdifferenzen und hohe Luftwechselraten von bis zu 30 pro Stunde in Rechenzentren zu berücksichtigen, so die Referentinnen. Sie empfahlen auch den Nachweis der Detektionsfähigkeit der automatischen Brandmelder z.B. mit einem Hot-Wire-Test.

Wo die MVV TB automatisch rechtsverbindlich wird

Brandmeldeanlagen und die Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) war das Thema des Vortrags von Jochen Redepenning (TÜV Rheinland Industrie Service). Er beschrieb die Mindestanforderungen für Brandmeldeanlagen aus Sicht es Baurechts. Wichtigste Erkenntnisse: Erscheint eine neue MVV TB wird sie in Nordrhein-Westfalen – im Gegensatz zu den übrigen 15 deutschen Bundesländern – nach sechs Monaten automatisch rechtsverbindlich. Und Redepenning erinnerte die Tagungsteilnehmer noch einmal daran, dass eine BMA nicht das gleiche wie vernetzte Rauchwarnmelder ist: Die Aufgaben einer Brandmeldeanlage können nie von Brandwarnanlagen übernommen werden, denn nur BMA können andere Anlagen ansteuern (Brandfallsteuerungen). 

Brandgefahren identifizieren, bevor Rauchpartikel entstehen

Orglmeister Brandschutz
Am Stand von Orglmeister war das Produktportfolio von IR-Kamerasystemen zur frühen Branddetektion zu sehen

(Bild: Kalscheuer)

Dr. Simon Trippler (Orglmeister Infrarot-Systeme) rückte anschließend die Praxisanwendungen in den Fokus. Wo Brandmelder nach EN 54 zur frühzeitigen Detektion nicht mehr ausreichen, kommen Infrarot-Kamerasysteme nach VdS 3189 zur Temperaturüberwachung ins Spiel. Denn die Hotspot-Erkennung im Wärmebild identifiziert einen entstehenden Brand lange Zeit, bevor erste Rauchpartikel entstehen und den konventionellen Melder erreichen. Ziel ist die Detektion heißer Oberflächen bereits vor einem Brandausbruch und die automatische Ansteuerung punktueller Löschsysteme (die zusätzlich zur Gesamtlöschanlage wie dem Sprinklersystem installiert werden).

Solch eine punktuelle Löschung kann z.B. in Recyclinganlagen, in denen große Mengen an Brennstoff z.B. mit falsch entsorgten Batterien zusammentreffen, genutzt werden, um eine Wärmequelle auf 4 m x 4 m zu löschen, statt entweder den halben Recyclinghof zu fluten oder bei einem kleinen Entstehungsbrand erst 15 Minuten auf die Feuerwehr warten zu müssen. Dr. Trippler stellte zudem ein Schutzkonzept für PV-Anlagen vor, bei denen eine IR-Kamera rund 600 m2 Meldebereich auf dem Dach einer Lagerhalle abdeckt.

Die digitale Transformation der Rauchwarnmelder (RWM) war Thema des Vortrags von Ulrich Rabe (VdS Schadenverhütung). Denn heute sind RWM der Baureihen B und C zur Ferninspektion zugelassen, und es gibt RWM mit Funkvernetzung, die in der 17 Jahre alten harmonisierten Produktnorm DIN EN 14604 noch nicht berücksichtigt wurden. Rabe gab u.a. Einblicke in die VdS 3515, die DIN SPEC 91449 (Spezifikation) sowie die DIN SPEC 91388. So stellt sich bei der Ferninspektion die Frage, ob Störungen erkannt und übertragen werden, ob die Energieversorgung, die Kontrolle der Rauchsensorik, des Warnsignals und die Demontage-Erkennung intakt sind. Bei funkvernetzten RWM ist zudem die Unempfindlichkeit gegen Dämpfung, Kollision oder HF-Störungen sowie die Reichweite essenziell. Nicht zu vergessen ist dabei, dass auch baubedingte Dämpfungen durch die Lage von Antenne und Batterie im Melder entstehen.

Apropos Batterie: Durch die Batterieverordnung EU 2023/1542 zur Austauschbarkeit von Batterien gibt es auch seitens der Hersteller eine große Unsicherheit, ob weiterhin nicht austauschbare Batterien in RWM verbaut werden dürfen. Und ob die digitale Transformation Einfluss darauf haben wird, ob auch zukünftig noch ein manueller Knopf zum Testauslösen am fernauslesbaren RWM enthalten sein muss, bleibt laut Rabe ebenfalls abzuwarten. Das wird dann vielleicht ein Thema bei den nächsten VdS-Brandschutztagen, die am 3. und 4. Dezember 2025 erneut in der Koelnmesse in Messehalle 10.1. stattfinden.

Über die Autorin
Autorenbild
Britta Kalscheuer

Redaktion »de«

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Heidelberg
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