Die seit Ende Juli in Betrieb befindliche Windenergieanlage könnte einen Präzedenzfall in Deutschland darstellen und Betreibern neue Standortoptionen eröffnen. »Derartige Gutachten und die darauffolgende Bewilligung haben bundesweit absoluten Seltenheitswert, obwohl der Bedarf nach solchen WEA-Standorten sehr groß ist«, erläutert Erika Moch, Sachverständige nach §29a BImSchG bei TÜV Nord.
Fehlende Sicherheitsabstände zu benachbarten Einrichtungen sind oft der Grund, weshalb Windenergieanlagen die Baugenehmigung verweigert wird. Noch brisanter sind WEA-Standorte in der Nachbarschaft von Betrieben mit besonderem Gefahrenpotential aufgrund vorhandener gefährlicher Stoffe – wie beispielsweise in der Nähe einer chemischen Anlage oder die Nähe zu einem Umschlagterminal für Gefahrgut. Da in Deutschland nur begrenzt Flächen für Windenergieanlagen zur Verfügung stehen, wird der Abstand zwischen möglichen WEA-Standorten und Industriestandorten mit besonderem Gefahrenpotential immer kleiner.
Um solche Standorte trotzdem nutzen zu können, muss nachgewiesen werden, dass durch die dortige Errichtung und den Betrieb der Windenergieanlage keine Gefahren, erheblichen Nachteile und Belästigungen für die Nachbarschaft entstehen und insbesondere auch keine Störfälle hervorgerufen werden können. In solchen Fällen ist deshalb ein sicherheitstechnisches Gutachten gemäß § 29a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) erforderlich. Sachverständige von TÜV Nord führen solche Untersuchungen durch und empfehlen bei Bedarf Maßnahmen, welche die Sicherheit der Anlage erhöhen.
Wegen der fehlenden Sicherheitsabstände zu den benachbarten industriellen und gewerblichen Nutzungen am Standort Köhlbrandhöft im Hamburger Hafen waren die Auswirkungen einer geplanten Windkraftanlage auf die Betriebe im unmittelbaren Umfeld im Rahmen eines solchen § 29a-Gutachtens zu untersuchen und zu bewerten. Der Betreiber Hamburg Wasser hat TÜV Nord mit der Erstellung dieses Gutachtens beauftragt. Im Rahmen der Untersuchung wurde das besonders hohe Sicherheitsniveau der Windenergieanlage den speziellen Anforderungen am Standort gegenübergestellt und bewertet.
Das Ergebnis: Im Juli 2014 wurde die Errichtung und der Betrieb der rund 200 Meter hohen Anlage mit einer Nennleistung von drei Megawatt genehmigt und in Betrieb genommen. Selbst bei einem positiven Gutachten gibt es keine Garantie, dass die zuständige Behörde die Genehmigung auch erteilt. »Doch im Falle der WEA am Hamburger Hafen konnte durch unser ausführliches Gutachten, das durch eine zweite Prüfung noch einmal bestätigt wurde, das besonders hohe Sicherheitsniveau der Anlage nachgewiesen werden«, so Moch.