Aufwand bei Anlagen > 30 kVA
Anlagen mit einer Gesamtleistung größer 30 kVA, die den Verknüpfungspunkt im Niederspannungsnetz vom Netzbetreiber zugewiesen bekommen, benötigen nach dem Abschnitt 6 der Anwendungsregel einen zentralen Netz- und Anlagenschutz (NA-Schutz) in einfehlersicherer Ausführung, der für die Überwachung der Höhe Netzspannung und Netzfrequenz sowie der Spannungsqualität zuständig ist. Dieser NA-Schutz wirkt auf einen oder mehrere Kuppelschalter, der die gesamte Anlage im Fehlerfall oder bei Wartungsarbeiten vom Netz trennt.Die bisher geforderte jederzeit zugängliche Trennstelle kann dafür im Ermessen des Netzbetreibers entfallen. Die Entscheidung hat der Netzbetreiber in Abhängigkeit der angewendeten Arbeitsverfahren zu treffen. Bei Verzicht auf die jederzeit zugängliche Trennstelle, ist beim Arbeiten im spannungsfreien Zustand auch die fünfte Sicherheitsregel »Erden und Kurzschließen« umzusetzen. Ansonsten sind die Arbeiten unter den Grundsätzen für »Arbeiten unter Spannung« gemäß der DIN VDE 0105-100 durchzuführen.
NA-Schutz ist notwendig
Der zentrale NA-Schutz und Kuppelschalter muss den Anforderungen der Einfehlersicherheit genügen. Das bedeutet, dass diese Betriebsmittel unter Verwendung der grundlegenden Sicherheitsprinzipien mindestens so gestaltet, gebaut, ausgewählt, zusammengestellt und kombiniert werden müssen, dass sie den zu erwartenden Betriebsbeanspruchungen (z. B. die Zuverlässigkeit hinsichtlich ihres Schaltvermögens und ihrer Schalthäufigkeit) und äußeren Einflüssen (z. B. mechanische Vibration, externe Felder, Unterbrechungen oder Störungen der Energieversorgung) standhalten können. Fehler einzelner Bauteile müssen durch andere Baugruppen erkannt werden und zur Abschaltung führen.
Das für den Netz- und Anlagenschutz benötigte Messrelais muss folgende Bedingungen erfüllen:
- Spannungs- und Frequenzüberwachung,
- Überwachung der Spannungsqualität,
- Einstellwerte sind durch Code oder Plombierung geschützt,
- einfehlersicherer Aufbau (zweikanalig, selbstüberwachend, redundanter Aufbau z. B. je zwei Prozessoren, Eingangsbeschaltungen und Ausgangsrelais),
- Alarmspeicher mit Display zur Anzeige der fünf letzten Fehler und
- Testtaste für den Kuppelschalter.
Der NA-Schutz sollte eine maximale Eigenzeit von 100 ms aufweisen da eine maximale Gesamtabschaltzeit des NA-Schutzes mit zugehörigem Kuppelschalter von 200 ms zulässig ist. Einige Relais bieten eine Simulationsfunktion um die gesamte Abschaltzeit zu ermitteln.
Zweiteiliger Kuppelschalter
Der Kuppelschalter besteht aus zwei in Reihen geschalteten, elektrischen Schalteinrichtungen und ist somit redundant ausgeführt. Die allpoligen Schalteinrichtungen müssen Lastschaltvermögen besitzen und sind für die jeweilige Bemessungsleistung und die auftretenden Kurzschlussströme auszulegen (Bild 2).Ansteuerung der Schalteinrichtungen
Die Ansteuerung erfolgt für beide Schalteinrichtungen über den zentralen NA-Schutz. Ein Ausfall der ggf. benötigten Hilfsspannung muss zur unverzögerten Auslösung des Kuppelschalters führen. Die eingesetzten Schalteinrichtungen müssen eine galvanische Trennung ermöglichen. Hierfür können z. B. Leistungsrelais, Schütze, Lasttrennschalter mit Motorantrieb oder Leistungsschalter mit Motorantrieb zum Einsatz kommen. Die Auslösung des Kuppelschalters muss am Kuppelschalter visuell erkennbar sein.Die Schalteinrichtungen müssen keine Trennfunktion nach DIN VDE 0100-460 besitzen, so dass auch Schütze bei Anlagen bis 100 kVA zum Einsatz kommen dürfen. Die Schütze müssen mit sog. Spiegelkontakten ausgerüstet sein. Das bedeutet, dass die Kontakte mechanisch so miteinander verbunden sind, dass Öffner und Schließer niemals gleichzeitig geschlossen sein können. Dabei muss sichergestellt sein, dass über die gesamte Lebensdauer des Schützes, auch in gestörtem Zustand (z. B. verschw Fachbeitrag eißen eines Kontaktes) Kontaktabstände von mindestens 0,5 mm vorhanden sind.
Redundanz reduziert Ausfälle
Die Ausfallwahrscheinlichkeit der Schutzeinrichtung wird durch die redundante Ausführung auf ein akzeptierbares Maß reduziert. Diese Doppelung der Schalteinrichtungen ist schon lange Zeit aus der selbsttätigen Schalteinrichtung nach DIN V VDE V 0126-1-1 bekannt und wurde in die Anwendungsregel übernommen (Bild 3). Die beiden Schalteinrichtungen können von unterschiedlicher Bauart und unterschiedlichen Herstellern sein.Allpoliges Schalten
Lastschaltvermögen und Kurzschlussfestigkeit
Die Schalteinrichtungen sind so auszuwählen, dass der unbeeinflusste Kurzschlussstrom an der Einbaustelle des Kuppelschalters zerstörungsfrei beherrscht werden kann. Der unbeeinflusste Kurzschlussstrom darf entweder durch Berechnung oder Messung ermittelt werden. Der maximal auftretende Kurzschlussstrom ergibt sich aus der Ausführung des Versorgungsnetzes in Abhängigkeit der verwendeten Ortsnetztransformatoren und der Kabel- und Leitungslängen. Der unbeeinflusste Kurzschlussstrom am Speisepunkt kann bei dem Netzbetreiber erfragt werden. Bei einem Transformator mit 630 kVA ist mit einem Kurzschlussstrom von ca. 23 kA zu rechnen. Für diesen Kurzschlussstrom muss der Kuppelschalter ausgelegt werden oder es müssen strombegrenzende Schutzeinrichtungen wie z. B. Schmelzsicherungen (gG) vorgeschaltet werden (Bild 3).
Richtige Projektierung
Die Prüfung der Einhaltung der o. g. Normen und die Herstellererklärung erfordern viel Erfahrung in der Projektierung, Konstruktion und im Bau von Schaltanlagen, so dass bei Fehlen dieser Erfahrung typgeprüfte Einheiten zum Einsatz kommen sollten (Bild 4). Für den Kuppelschalter ist ein Konformitätsnachweis gemäß Abschnitt G.3 der Anwendungsregel durch den Hersteller zu liefern.