Neuer Standard Der neue Standard Dali 2 soll die Kompatibilitätsprobleme des alten Standards beseitigen Strombedarf Die Limitierung auf 250 mA pro Dali-Linie bleibt bestehen
Da in Ausgabe »de« 9.2015 bereits über die Inhalte des neuen Standards Dali 2 berichtet wurde, soll es in diesem Beitrag nun schwerpunktmäßig um den praktischen Bezug mit Anwendungsbeispielen gehen.
Kollisionsschutz
Bewegungssensoren, Lichtsensoren, Farbsensoren, Tastermodule, Bedienterminals und zunehmend auch Smartphone-Apps – all diese Steuer- und Applikationsgeräte haben eines gemeinsam: Sie senden vom Anwender oder von der Umwelt autark verursachte und damit zeitkritische Steuerungsbefehle direkt oder indirekt an die künstliche Beleuchtung. Aber welcher Befehl hat welche Priorität? Und ist überhaupt sichergestellt, dass wirklich alle Telegramme verarbeitet werden können, obwohl diese nahezu zeitgleich beim Empfänger eintreffen können?
Um die Verarbeitung aller Telegramme sicherzustellen, bietet sich das Prinzip »Multi-Master« an. Wie der Name schon vermuten lässt, können in einem so genannten »Multi-Master-System« mehrere Master-Geräte an einem Dali-Kreis betrieben werden – analog zu KNX. Was konkret ist damit gemeint? Einerseits versteht man unter »multi-master-fähig«, dass Telegramm-Kollisionen systematisch vermieden werden, was gewährleistet, dass kein Telegramm verloren gehen kann. Hinter dem Begriff »Multi-Master« verbirgt sich andererseits aber noch ein viel interessanteres Thema: die dezentrale Steuerung.
Mehrere Master – verteilte Intelligenz
Sendet der eine Multi-Master (z. B. Dali-Multisensor) beispielsweise einen Befehl »Licht aus« an seine Gruppe, registriert dies der andere Multi-Master (z. B. Dali-Taster-Modul), welcher der gleichen Gruppe zugeordnet ist. Er behandelt diesen Befehl in seiner Applikationslogik darauffolgend so, als ob er ihn selbst gesendet hätte. Es entsteht so eine »verteilte Intelligenz«. In diesem Beispiel würde das nächste Drücken des Tasters folgerichtig das Licht wieder einschalten. Bei nicht multi-master-fähigen Geräten (= »Single-Master«) hingegen, würde das nächste Drücken des Tasters erneut einen Befehl »Licht aus« an seine Gruppe senden, obwohl diese bereits ausgeschaltet ist. Das in diesem Falle nicht zufriedenstellende Resultat: Der Anwender müsste den Taster 2x betätigen, um das Licht wieder einschalten zu können. Weiterhin gilt es, Dali-Konzepte zu unterscheiden, deren Kommunikation zwischen allen Steuergeräten über eine zentrale Instanz (z. B. Controller/Router) oder dezentral verteilt auf mehrere Steuergeräte realisiert wird. Es gibt auch Systeme, die sich beide Verfahren zu Nutze machen. Grundsätzlich gilt: Je dezentraler ein System konzipiert ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass man Geräte beliebiger Hersteller einsetzen kann. Tipp: Wenn Sie ein skalierbares und weitestgehend herstellerunabhängiges Beleuchtungssystem mit Dali realisieren möchten, achten Sie bereits vor der Veröffentlichung und Etablierung des Standards Dali 2 schon in der Planungs- oder Ausschreibungsphase darauf, dass Dali-Steuergeräte multi-master-fähig sind.
Der Strombedarf setzt Grenzen
Während Dali-Betriebsgeräte maximal je 2 mA vom Dali-Bus beziehen dürfen, gibt es für Dali-Steuergeräte keinerlei Vorgaben für den maximalen Strombedarf. Viele unterschiedliche Dali-Konzepte mit proprietären Zusatzfunktionen stellen das Thema Stromverbrauch über den Dali-Bus zudem auch meist in den Hintergrund. Dies gilt vor allem dann, wenn es sich um ein Single-Master-Konzept handelt. Der Stromverbrauch spielt jedoch insbesondere im Hinblick auf Dali 2 eine große Rolle. Mit dem neuen Standard steht als erweiterte Funktion zwar, neben dem Adressbereich für bis zu 64 Betriebsgeräte, auch ein separater Adressbereich für bis zu 64 Steuergeräte zur Verfügung. Der maximale Stromverbrauch von 250 mA am Dali-Kreis selbst bleibt jedoch aus Gründen der Rückwärtskompatibilität bestehen. Wenn man sich nun den Stromverbrauch der am Markt erhältlichen Steuergeräte betrachtet, wird einem schnell klar: Es ist praktisch ausgeschlossen, dass alle 128 Adressen genutzt, respektive 128 Teilnehmer mit ausreichend Strom versorgt werden können. Bei aktuellen Dali-Steuergeräten wird ein Stromverbrauch zwischen 5 mA und 10 mA angegeben, je nach Applikation und Hersteller. Zudem muss man berücksichtigen, dass es nur Netzteile geben kann, die weniger als 250 mA bereitstellen können, da ja der Strom bei 250 mA begrenzt werden muss. Dali-Netzteile liefern daher, wiederum je nach Applikation und Hersteller, in der Regel zwischen 100 mA und 240 mA. Folgendes Rechenbeispiel für den Strombedarf verdeutlicht die Situation:
- 64 Betriebsgeräte à 2 mA: 128 mA
- 8 Multisensoren à 8 mA: 64 mA
- 8 Taster-Module à 4 mA: 32 mA
Dies macht in der Summe 224 mA. Wenn man nun noch die Toleranzen der Herstellerangaben berücksichtigt, befindet man sich schon sehr nahe an der Grenze von 250 mA – mit nur 16 Steuergeräten.
Ein zweites Rechenbeispiel zeigt Bild 1. Hier handelt es sich um die Stromverbrauchskalkulation im Erdgeschoss eines Hotels (ohne Gästezimmer). Geplant sind hier sechs Dali-Gruppen, bestehend aus insgesamt 44 Dali-EVG sowie 13 Dali-Präsenzmeldern (6x Master Vollautomatik, 7x Slave Bewegung). Der Gesamtstromverbrauch über den Dali-Bus beträgt hier 192 mA. Tipp: Verstehen Sie unter »128 Kurzadressen« nicht, dass insgesamt bis zu 128 Teilnehmer gleichzeitig an einem Dali-Kreis verwendet werden können. Bei Dali bzw. Dali 2 gibt es auch keine Faustregel für eine maximale Anzahl von Teilnehmern. Deshalb hilft hier immer nur ein Blick in das Datenblatt des Produktes und ein Taschenrechner: Bilden Sie dazu einfach die Summe des Stromverbrauchs aller Teilnehmer und stellen Sie diesen der Leistungsfähigkeit des Dali-Netzteils gegenüber. Wenn Sie am Ende zum Beispiel noch 30 mA »Luft« haben, sind Sie auf der absolut sicheren Seite und halten sich zudem noch offen, dass bei neuen Anforderungen ggf. weitere Teilnehmer angeschlossen werden können.
Betriebs- und Steuergeräte konfigurieren
Die Konfiguration der Betriebs- und Steuergeräte läuft in mehreren Schritten ab:
Schritt 1: Identifikation
Ähnlich wie bei KNX benötigen alle Teilnehmer eines Dali-Kreises in einem Dali-Multi-Master-System eine eindeutige Adresse, um individuell angesprochen werden zu können. Bei Dali spricht man hier von der so genannten »Kurzadresse«. Diese darf in einem Dali-Kreis nicht doppelt vergeben sein, da es sonst Konflikte gibt. Deshalb wird die Adressierung meist in die Hände von Applikationen gelegt, die verhindern, dass doppelte Adressen vergeben werden können. Der manuelle Eingriff bei der Vergabe von Kurzadressen ist nur für Administratoren zu empfehlen, die wirklich genau wissen, was sie tun.
Schritt 2: Gruppenbildung
Betriebsgeräte lassen im Zuge eines Gruppierungsprozesses angeschlossene Leuchten zur Lokalisierung blinken. Multisensoren haben meist eine integrierte LED, welche ebenso blinkt. Bei Tastermodulen kommt i. d. R. ein kleiner Lautsprecher zum Einsatz, der mit Signaltönen auf sich aufmerksam macht. Bevor man die im Dali-Standard bis 16 limitierten Gruppen bilden kann, sollte man sich einen Plan machen, der genau auflistet, welche Gruppen-ID (0 bis 15) welchem Bereich zugeordnet werden muss. Je nach Umfang des Projektes existiert der Plan bereits.
Schritt 3: Parametrieren
In diesem Schritt geht es nun darum, Funktionen mittels Parametrierung von Betriebs- und Steuergeräten zum Leben zu erwecken. So kann man zum Beispiel ein Dali-Taster-Modul mit vier binären Eingängen so konfigurieren, dass ein konventioneller Doppeltaster für das Schalten und Dimmen zweier Gruppen und ein weiterer für den Abruf von zwei Szenen eingesetzt werden kann.
Schritt 4: Konfiguration von Szenen
Im letzten Schritt werden Szenen konfiguriert, was in einem gesonderten Abschnitt am Ende dieses Artikels ausführlich behandelt wird. Im Folgenden soll ein Anwendungsbeispiel beschrieben werden, welches auf Basis eines 1-Linien-Multi-Master-Konzepts aufgebaut ist und insbesondere eine mögliche Gruppenbildung veranschaulichen soll, welche eine »Begleitlicht-Funktion« ermöglicht (Bild 2). Tipp: Definieren Sie als Planer einer Dali-Multi-Master-Lösung keine Kurzadressen, sondern schaffen Sie allenfalls Platzhalter im Plan, wo Kurzadressen eingetragen werden können. Überlassen Sie deren Vergabe den Integratoren/Elektroinstallateuren bzw. einer Software mit automatischem Adressierungsverfahren. Gruppen hingegen sollten in den allermeisten Fällen bereits bei der Lichtplanung definiert sein. Der nächste Abschnitt verdeutlicht, welche Vorteile daraus entstehen können.
Dip-Schalter und Hex-Drehschalter
Mit dem Einzug der zeitaufwendigeren Inbetriebnahme eines Dali-Multi-Master-Systems stellt sich insbesondere bei Bauherren die Frage: Welche Hilfsmittel stehen zur Verfügung, um den Inbetriebnahmeprozess so schlank wie nur möglich zu gestalten? Auf der anderen Seite begrüßen Integratoren und Elektroinstallateure eine möglichst komfortable Lösung, welche keine umfangreichen Schulungen voraussetzt. Hier gibt es je nach Hersteller unterschiedliche Ansätze. Ein Ansatz ist, mit Hilfe von Hardware-Einstellungen über Dip-Schalter und Hex-Drehschalter bereits vor oder im Zuge der Montage den Prozess insofern zu beschleunigen, indem man die zu steuernde Gruppe und die vorgesehene Betriebsart von Steuergeräten vorab einstellt. Dies hat zur Folge, dass zum einen nur noch Betriebsgeräte gruppiert werden müssen, was an sich schon einen Mehrwert mit sich bringt. Zum anderen lassen sich in Kombination mit voreingestellten Multisensoren, die zeitgleich Lichtwerte über den Dali-Bus senden können (parallel vorhandene Slave-Funktionalität), weitere Kosten bei der Inbetriebnahme einsparen. Das funktioniert folgendermaßen: Zieht sich der Dali-Kreis über mehrere geschlossene Räume hin, beginnt das »Versteckspiel«: Wo blinkt diese eine Leuchte? Wenn man nun während der Lokalisierung der Leuchte parallel die Lichtwerte aller Multisensoren im Blick behält, lässt sich in vielen Anwendungsfällen das Betriebsgerät ohne Fußmarsch der richtigen Gruppe zuordnen. Und zwar jener Gruppe, welche bei einem Multisensor hinterlegt ist, deren Abweichungen der Lichtwerte während des Blinkens der Leuchte am auffälligsten sind. Dieser pragmatische Trick kann so vor allem in Treppenhäusern ein wahrer Segen sein. Tipp: Nutzen Sie die Möglichkeit von Hardware-Einstellungsvorrichtungen bei Dali-Steuergeräten, um die Inbetriebnahme zu vereinfachen und zu beschleunigen.
Lichtsteuerung mit Szenen
Im Gegensatz zur Gruppenverwaltung spielen beim Thema Szenenverwaltung Hardware-Einstellungsvorrichtungen eine untergeordnete Rolle. Denn so genannte Szenen können nur über Software-Applikationen, für bestimmte Anwendungen auch über Taster-Module, ausreichend flexibel konfiguriert werden.
Was genau sind Szenen?
Jedes Betriebsgerät hat ein Speicherregister, welches unter anderem auch Platz bietet für 16 Dimmwerte (Szene 0 bis Szene 15 mit jeweils 0 % bis 100 %). Wenn nun zum Beispiel beim Betriebsgerät 1 bei Szene 7 der Dimmwert 0 % und bei Betriebsgerät 2 bei Szene 7 der Dimmwert 50 % abgespeichert wurde, bewirkt nur ein kurzer Steuerbefehl »Recall Scene 7«, dass Betriebsgerät 1 ausgeschaltet und Betriebsgerät 2 auf halbe Leistung eingeschaltet wird.
Im eigentlichen Sinne haben Szenen nichts mit Gruppen zu tun, lediglich die Konfiguration und der Abruf von Szenen wird oft in Verbindung mit der Gruppenbildung gebracht. Die in Bild 3 visualisierte Lichtsteuerung eines Konferenzraumes über zwei Doppeltaster soll dies deutlich machen. Mit dem Szenenaufruf »Besprechung« werden alle Betriebsgeräte in Gruppe 1 auf 100 % gesetzt und alle Betriebsgeräte in Gruppe 2 auf 80 %. Je Gruppe ist der Lichtwert bei allen Leuchten also identisch. Wohingegen der Szenenaufruf »Präsentation/Film«, welcher zum Beispiel in Gruppe 1 nur die Leuchten nahe der Projektionsfläche abschaltet, unabhängig einer Gruppierung realisiert ist.