Auf den zweiten Blick fällt einem auf, dass die erst 2013 erneuerte Verteilung (Zuleitung noch in den alten Aderfarben?) nur mit Wechselstrom versorgt wird. Das hat den Installateur nicht daran gehindert, den Elektroherdanschluss (NYM-J, 5x1,5mm²) über drei 16-A-LSS abzusichern. 3x16A addieren sich zu 48A möglicher Belastung auf dem Neutralleiter.
Auf diesen Mangel hat ihn dann wohl auch ein Küchenmonteur hingewiesen, als »Beseitigung« wurde dann ein Hinweiszettel in die Verteilung eingeklebt. (Bild 2). Ich habe den Herdanschluss als Sofortmaßnahme auf einen einzelnen LSS mit 16A gelegt, sowie den Eigentümer der Wohnung informiert. Immerhin ist die Wohnungszuleitung vieradrig 10mm² – für Drehstrom reicht es dennoch nicht, denn die PEN-Aufteilung erfolgte bereits am Hausanschlusskasten. Betroffen sind vermutlich acht Wohnungen in dem Haus, die wohl auf dieselbe Art installiert wurden.«
Antwort des Experten
Wie Sie korrekt bemerkt haben, werden bei dieser Vorgehensweise nicht nur die Herdplatten heiß, sondern auch die Kabel/Leitungen im Verteiler und in der Zuführung zum Herd. Anscheinend gibt es immer noch »Elektrofachkräfte«, die die Physik aus den Angeln heben wollen. Vielleicht aber wurde durch den Hausherren selbst dieser Anschluss im Verteiler so vorgenommen.Leider steigt dadurch – anders als bei einem Drehstromanschluss mit gemeinsamem Neutralleiter – der Strom im Neutralleiter um das Dreifache. Im schlimmsten Falle kann der Strom im Neutralleiter also 3x 16A, also 48A erreichen. Das haben Sie völlig richtig erkannt. Dieser Strom wird sehr schnell zu einer unzulässig hohen Erwärmung des Neutralleiters von 1,5mm2 und auch zur Überlastung der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) führen.
Dass diese Vorgehensweise auch gegen gültige Normen verstößt, sei nur noch zusätzlich angemerkt. Im Abschnitt 521.8.2 von DIN VDE 0100-520:2013-06 ist hierzu folgendes festgelegt: »Die Zuordnung eines gemeinsamen Neutralleiters für mehrere Hauptstromkreise ist nicht zulässig. Aus einem Drehstromkreis mit einem Neutralleiter dürfen jedoch Einphasen-Wechselstromkreise aus je einem Außenleiter und dem Neutralleiter gebildet werden, wenn die Anordnung der Stromkreise erkennbar bleibt. Dieser Drehstromkreis muss durch eine Einrichtung zum Trennen nach DIN VDE 0100-537:1999-06, 537.2 getrennt werden können, die alle Außenleiter trennt.«
Noch schlauere Elektrofachkräfte oder Laien versuchen einen – wenn auch brandtechnisch ungefährlicheren Weg: sie verwenden die fünf Adern so, dass sie zwei Wechselstromkreise bilden und für den zweiten Neutralleiter eine andersfarbige Ader verwenden, die sie dann eventuell an den Enden mit blauem Schrumpfschlauch überziehen. Formal verstößt jedoch auch diese Variante gegen gültige Normen. Im Abschnitt 514.3.1.Z1 von DIN VDE 0100-510 ist festgelegt, dass der Neutralleiter durchgehend blau gekennzeichnet sein muss, was ja beim »zweiten« Neutralleiter, trotz Schrumpfschlauch, nicht erfüllt ist. Zum »Klebezettel« möchte ich noch sagen, dass der Küchenbauer es sicher gut gemeint hat, aber ob es hilft, das sei dahingestellt.
Desolater Verteiler
Ich habe schon häufiger darauf verwiesen, dass Schönheit in den Normen nicht gefordert ist. Dennoch muss ich dem Einsender Recht geben, dass das etwas zu viel des Guten ist. Eine solch schlampige Verteilerausführung wird man sicher nicht alle Tage zu Gesicht bekommen.So darf die eingebaute RCD max. mit 40A belastet werden. Da ein zusätzlicher Schutz bei Überlast nicht vorhanden ist, es sei denn die Zählervorsicherung würde diesen Schutz (z.B. 35A) übernehmen können. Somit wäre ein Schutz bei Überlast nicht gegeben, weil die Summe der Bemessungsströme der Leitungsschutzschalter weit höher liegt. In Installationsverteilern ist zwar der Berührungsschutz hinter der immer notwendigen »Zwischenabdeckung« nicht gefordert (Schutz gegen direktes Berühren), dennoch ist diese Art von blanken Anschlüssen als nicht akzeptabel zu betrachten.
Bezüglich der »losen« Klemmen für die Leitungsverlängerung gilt, dass diese so – nach Meinung des zuständigen UK der DKE – nicht verwendet werden dürfen. Zwar darf man hierfür »berührungssichere« Steckklemmen verwendet werden, aber nur wenn sie mit einem entsprechenden Befestigungsadapter verwendet werden. Unverständlich ist für mich, in diesem Zusammenhang, dass die Schutzleiter- und Neutralleiterklemmenblöcke nicht einfach wieder an die vorgesehenen Befestigungsstellen angebracht wurden. Bezüglich der Leiterfarben gilt, dass vorhandene Kabel/Leitungen bei einem Verteilerwechsel nicht an neuere Normen angepasst werden müssen. Somit wäre gegen die Aderfarben nichts einzuwenden.
Für die 4-adrige Zuleitung gilt, dass in den Fällen, in denen zum Zeitpunkt der Errichtung ein PEN-Leiter noch zulässig war, der PEN-Leiter in der Unterverteilung ggf. weiterverwendet werden darf oder erst in der Unterverteilung aufgeteilt werden muss. Das setzt voraus, dass man am Zählerplatz diesen »alten PEN-Leiter« entsprechend mit dem PEN-Leiter der Netzzuleitung verbindet. Eine Aufteilung im Zählerplatz muss dabei nicht vorgenommen werden, weil ja der ankommende PEN-Leiter auf die Schiene geklemmt werden kann/muss, die als Schutzleiterschiene bezeichnet ist. Diese Schiene darf man als PEN-Leiter weiter verwenden, wenn sie entsprechend gekennzeichnet wird. Von dieser Schiene dürfen Sie auch eine Verbindung zur Neutralleiterschiene vornehmen (Bild 3).
Zum Schluss noch der Hinweis auf die fehlende Betriebsmittelkennzeichnung (Referenzkennzeichnung) auf den Geräten. Man kann hier die abgehenden Schutzleiter und Neutralleiter nicht den Außenleitern zuordnen. In Abschnitt 4.6.10 der DIN VDE 0603-1:1991-10, ist hierzu Folgendes festgelegt: »Die PE-, N- und PEN-Klemmen müssen so angeordnet sein, dass es dem Errichter möglich ist, eine Kennzeichnung anzubringen, aus der die Zugehörigkeit der Anschlüsse zu den einzelnen Stromkreisen ersichtlich ist.« Vermutlich würden sich noch einige weitere Punkte ergeben, wenn das Bild ein bisschen mehr »Umgebung« zeigen würde.