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Auswirkungen auf die Wertschöpfungskette

Wie verändert die Digitalisierung die Branche?

Auf einen Blick Standardisierte Schnittstellen Wesentlich für die Zukunftsfähigkeit des dreistufigen Vertriebs sind standardisierte Schnittstellen und eine Durchgängigkeit der Daten

Datenhoheit Die Digitalisierung wirft eine wesentliche, bisher noch nicht befriedigend beantwortete Frage auf: Wem gehören die Daten?
Auf dem Forum Elektrowirtschaft lautete das Motto: »Wie die Digitalisierung den Elektrogroßhandel verändert«. Da sich Änderungen im Bereich Elektrogroßhandel in der Regel auch auf das Elektrohandwerk auswirken, macht es durchaus Sinn, sich mit den Ergebnissen dieses Forums auseinanderzusetzen. Eingeladen zu der Veranstaltung hatte der Bundesverband des Elektro-Großhandels (VEG), und es waren ca. 160 Vertreter aus Handel, Handwerk und Industrie gekommen, um einen Blick auf mögliche Zukunftsszenarien zu werfen.

Kommen die »Riesen«?

Dabei gingen die vier Referenten sowie die Teilnehmer der beiden Podiumsdiskussionen nicht mehr der Frage nach, ob die Digitalisierung kommt, sondern es stand eher im Raum, was passiert, wenn die »Riesen kommen«. Gemeint ist damit, welche Auswirkungen es auf den dreistufigen Vertrieb haben kann, wenn die Googles, Amazons und Apples die Welt des dreistufigen Vertriebs in der Elektrobranche für sich entdecken. Sicher werden die Veränderungen des Informations- und Kaufverhaltens durch die Digitalisierung etablierte Geschäftsprozesse und Distributionskanäle unter Anpassungsdruck bringen, denn Kunden können sich heute online informieren und einkaufen. Sie erwarten daher auch von Handwerk, Handel und Herstellern eine erheblich höhere Handlungsgeschwindigkeit und schlankere, bequemere Prozesse.

Das geht im dreistufigen Vertrieb aber nur mit standardisierten IT-Schnittstellen und -abläufen. Das ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass sich unabhängige Handwerksbetriebe, Händler und Hersteller entsprechend vernetzen können. Franz Ernst, 1. Vorsitzender Etim Deutschland, berichtete ­ in seinem Vortrag, dass für einen digital ­organisierten Ablauf seit Juli 2017 nun mit »Elbridge« ein einheitlicher Kommunika­tionsstandard zur Verfügung steht.

Mit dieser Datenschnittstelle ist der Zugriff auf mehr als 120.000 Produkte möglich, die in Etim 7.0 standardisiert sind. Das schafft die Vernetzungsgrundlagen für eine nahtlose Kundenbestellung (Seamlass Customer Experience).

Wem gehören die Daten?

Wie sich die Arbeitswelten verändern, darauf ging Dr. Björn Reineke von OC&C Strategy Consultants ein. Seine These »Die Entscheidungsinstanz verlagert sich zu einem durch das Internet vorab informierten Kunden« führt geradewegs zu der Frage: Wie geht man mit dem Endkunden um?

Dass die komplexer werdende Systemtechnik neue Lösungen erfordert, stellte auch die anschließende Podiumsdiskussion nicht infrage. Zahlreiche Handwerksbetriebe haben sich bereits spezialisiert, der Fachgroßhandel trägt dem durch seine Schwerpunkte entweder als Preisführer, Serviceanbieter, Multispezialist oder Nischenspezialist Rechnung. Dabei sei das Handwerk bereits mit über 50 % digitalisiert und damit gut auf die ­kommenden Aufgaben vorbereitet, sagte Christoph Hansen, Vizepräsident des ZVEH (Bild 1).
Bild 1: Christoph Hansen, Vizepräsident des ZVEH (2. v. li.), sieht das Elektrohandwerk gut auf die kommenden Aufgaben vorbereitet
Bild 1: Christoph Hansen, Vizepräsident des ZVEH (2. v. li.), sieht das Elektrohandwerk gut auf die kommenden Aufgaben vorbereitet
In zehn Jahren, so die Meinung der Teilnehmer auf dem Podium, werden die Gebäude transparenter, auch durch die digitale Abbildung der Bauwerke und seines Lebenszyklus. Building Information Modelling (BIM) ist der nächste Schritt, bei dem sich spätestens dann die Frage stellt, wem die Daten eigentlich gehören. Die Frage stellt sich jedoch nicht nur dem Handwerker und damit freien Unternehmer bei freier Wahl der Produkte, Datenhoheit und Preishoheit gegenüber den Kunden. Diese Eckpunkte müssen auch in Markt- und Vertriebsstrukturen der Hersteller und des Handels erkennbar bleiben.

Eine interessante Frage, die das Podium aber leider nicht weiter verfolgt. Denn die Integrität der Daten ist ein wichtiger Bestandteil eines unabhängigen Handwerksbetriebes, gleichgültig in welcher Branche. Ohne Zweifel werden die Wünsche des Kunden und das Haus der Zukunft gewerkeübergreifend sein. Dass das jedoch die Geschäftsmodelle der Elektroinstallateure heute so noch nicht abbilden, meinen die Teilnehmer der Podiumsdiskussion.

Zum Smart Home konstatierte Christoph Hansen, man solle den »Mut nicht verlieren«, denn die Anstrengungen der großen Player wie RWE (Innogy), Telekom und der Baumärkte haben viele frustrierte Abnehmer hinterlassen. Da sei vom Elektrohandwerker noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, so Hansen. Auch Rainer Rommel, Geschäftsführer Emil Löffelhard, wies darauf hin, dass bereits heute zahlreiche Daten und damit die Grundlagen schon vorhanden sind. Die Offenheit und das Selbstvertrauen sei in der Branche ein Vorteil: »Wir sprechen miteinander und finden eine Lösung« betonte Rommel.
Bild 2: Laut Holger Heckle, Vorstandsvor­sitzender VEG (li.), erbringt der Elektro­großhandel heute einen beachtlichen Teil ­
an Beratungsleistung – und solche Services kosten Geld
Bild 2: Laut Holger Heckle, Vorstandsvor­sitzender VEG (li.), erbringt der Elektro­großhandel heute einen beachtlichen Teil ­ an Beratungsleistung – und solche Services kosten Geld
Was Unternehmen von Start-ups lernen können, stellte Prof. Dr. Klaus Sailer, Geschäftsführer Strascheg Center für Entrepreneurship, in seinem Vortrag dar, und Johannes Spannagl von Wieselhuber & Partner zeigt auf, wie neue Geschäftsmodelle durch agiles Innovationsmanagement entstehen.

Wie die Arbeitswelt von morgen aussieht, versucht die zweite Podiumsdiskussion herauszufinden. Die Digitalisierung, so die Diskussionsrunde, bietet auch eine Chance durch Big Data Analytics und daraus abgeleitetes Predictive Marketing.

Das macht den Endkunden, nach Auffassung des Podiums, transparenter, denn die Frage: »Was treibt den Endkunden an?« steht am Anfang eines jeden Prozessab­laufes auch beim digitalisierten Geschäft. Hier, so die einhellige Meinung, wird sich das Anforderungsprofil des Großhandels-Außendienstes verändern, er wird lösungsorientierter arbeiten müssen. Aber: Der EGH erbringt, so ­Holger Heckle, Vorstandsvorsitzender VEG (Bild 2), schon heute einen beachtlichen Teil an Beratungsleistung, und solche Services, betonte Heckle, kosten Geld. Auf jeden Fall wird der zukünftige Mitarbeiter sein Beziehungsmanagement mehr in den Vordergrund stellen und pflegen müssen.

»Die Nähe zum Kunden ist der Schlüssel zum Erfolg«, stellte die Diskussionsrunde fest – eine, wie ich meine, nicht ganz neue und kaum überraschende Erkenntnis.
Über den Autor
Autorenbild
Peter Respondek

Fachjournalist, Neumarkt i. d. OPf.

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