Dünnere Wände Gegenüber bisher 10…20 mm reichen bei den neuen Gehäusen Wandstärken von rund 3mm aus
Elektrische und elektronische Komponenten und Geräte bergen im ursprünglichen Zustand betriebsmäßig oder fehlerbedingt eine Reihe von potenziellen Zündquellen, die einen Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen nicht zulassen. Baut man diese Betriebsmittel aber in ein ausreichend festes Gehäuse ein, das in der Lage ist, ohne Zerstörung dem Druck einer inneren Explosion zu widerstehen, so kann man sie auch in den genannten sicherheitskritischen Industriebereichen einsetzen.
Weitere konstruktive Maßnahmen betreffen sämtliche durch die Gehäusewandung verlaufenden Spalten: Diese müssen so beschaffen sein, dass sie passierenden Flammen oder heißen Gasen ausreichend Energie entziehen und somit die Zündung eines äußeren explosionsfähigen Gemisches unmöglich gemacht wird (zünddurchschlagsichere Spalte). Außerdem muss man durch geeignete technische Maßnahmen dafür sorgen, dass die Temperaturen der äußeren Gehäuseoberflächen unter den Zündtemperaturen eines solchen gefährlichen Gemisches liegen. Die technischen Anforderungen an die Zündschutzart definiert der internationale Standard IEC 60079 Teil 1. Die dort gebräuchliche Kennzeichnung lautet »Ex d«.
»Druckfeste Kapselung« ist weit verbreitet
Eine Recherche in der Online-Datenbank des internationalen Zertifizierungssystems IECEx ergab, dass gegenwärtig rund 43 % aller IECEx-Zertifikate auf dieser Zündschutzart basieren. Damit ist sie führend in der weltweiten Anwendung. Im Geltungsbereit der Europäischen Richtlinie Atex 2014/34/EU dürfte der Anteil annähernd so hoch sein. Die weite Verbreitung der »Druckfesten Kapselung« in der Welt des Explosionsschutzes lässt sich darauf zurückführen, dass man mit ihr auf relativ einfache Art und Weise nahezu sämtliche elektrische Betriebsmittel für den Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen ertüchtigen kann. Die Zündschutzart ist sehr robust und zuverlässig, und ihre Sicherheit kann durch einfache Wartungsmaßnahmen für eine lange Betriebszeit erhalten werden.Betrachtet man umfangreichere Steuerungen und Verteilungen, die man für sichere Industriebereiche ohne besondere Aufwände in ausreichend große Schaltschränke einbauen kann, ergibt sich ein weiterer empfindlicher Nachteil der herkömmlichen Technik: Die erforderliche Druckfestigkeit der Gehäuse bedingt hohe Wandstärken im Bereich von 10…20 mm. Dadurch wird eine wirtschaftlich und technisch sinnvolle Baugröße auf Gehäusevolumen von maximal etwa 500 l beschränkt.
Große und komplexe elektrische Steuerungen und Verteilungen müssen daher auf verschiedene kleinere druckfest gekapselte Gehäuse aufgeteilt werden, die man miteinander kombiniert. Die Projektierung und Herstellung solcher Gehäusekombinationen ist wesentlich komplizierter und zeitaufwendiger als die von herkömmlichen Industrie-Schaltschränken. Die notwendigen elektrischen Verbindungen zwischen den verschiedenen Ex-d-Gehäusen erfolgen durch zünddurchschlagsichere Leitungsdurchführungen, die wegen der notwendigen Explosionsschutzanforderungen in der Herstellung und Installation relativ aufwendig sind. Die gesamte Gehäusekombination muss aufwendig auf spezielle Traggestellen montiert werden.
Nicht nur die Projektierung und Herstellung solcher für explosionsgefährdete Bereiche geeigneter Steuerungen und Verteilung sind daher sehr zeit- und kostenintensiv, sondern auch der Betrieb, die Wartung und Instandsetzung. Nachträgliche Änderungen an der inneren elektrischen Verdrahtung führen somit zwangsläufig zu umfangreichen, zeitraubenden und teuren Umbaumaßnahmen, die in der Regel vor Wiederinbetriebnahme durch Ex-Sachverständige abgenommen werden müssen.
Neue Lösung: Druckentlastung
Darauf aufbauend setzte R. Stahl in enger Zusammenarbeit mit namhaften deutschen Hochschulen, sowie den beiden führenden deutschen Prüfstellen PTB und Dekra Exam die Suche nach noch besser geeigneten Materialien fort. Am Ende kristallisierte sich ein spezielles Drahtgittergewebe heraus, das speziell für den Zweck einer zünddurchschlagsicheren, effizienten Druckentlastung entwickelt wurde.
Das aus feinen Edelstahldrähten gewebte Metallgitter wird in mehreren übereinanderliegenden Schichten aufgebaut (Bild 1). Jede dieser Schichten wurde durch zahlreiche Versuche hinsichtlich ihrer geometrischen und technologischen Parameter wie Drahtstärke, Maschenweite und Webart optimiert. Die verschiedenen Schichten wiederum werden zu einem stabilen Verbund versintert. Das fertige Drahtgittergewebe weist neben der Zünddurchschlagfestigkeit eine hohe Gasdurchlässigkeit, mechanische Festigkeit und Wärmekapazität bei einer relativ geringen Wärmeleitfähigkeit auf und eignet sich daher sehr gut für eine Integration in druckfest gekapselte Gehäuse. Es kann mit speziellen Verfahren sowohl in Aluminiumgussgehäuse eingegossen als auch in Edelstahlgehäuse eingeschweißt werden.
Das Ergebnis: Misst man in einem gleich großen herkömmlichen Ex-d-Gehäuse Spitzendrücke von etwa 10 bar, so liegt der gemessene Spitzendruck in den neuen Gehäusen lediglich bei Werten weit unter 1 bar. Durch eine geeignete Anordnung konnte auch sicher verhindert werden, dass die äußere Oberfläche der Gitterschichten auf Temperaturen über den für die Temperaturklasse T4 zulässigen Wert erhöht werden.
Zur Sicherstellung des Funktionierens der neuen Lösung unter den unterschiedlichen harten Umgebungsbedingungen wie Verschmutzung oder Vereisung ist ein guter Schutz dieser außenliegenden Gitteroberflächen erforderlich. Dies wird durch die Montage von herkömmlichen Berstscheiben ermöglicht, die im Normalbetrieb eine IP-Schutzart 66 gewährleisten (Bild 2), im Explosionsfall sich aber bei einem Solldruckwert von 0,1 bar öffnen und so dem ausströmenden Gas den Weg ins Freie ebnen (Bild 3).
Wandstärke 3 mm
Andererseits ist es jetzt auch möglich, druckfest gekapselte Schaltschränke mit sehr großen Abmaßen zu bauen. Der größte derzeit verfügbare »Expressure«-Schrank hat eine Höhe von 1400 mm bei einer Breite von 1000 mm und einer Tiefe von 700 mm. Noch größere Schrankabmaße sind geplant. Damit wird die Projektierung aus den oben geschilderten Gründen deutlich erleichtert. Brauchte man mit der herkömmlichen Technik noch die Kombination mehrerer Gehäuse zur Aufnahme komplexer Steuerungen und Verteilungen, so kommt man jetzt in der Regel mit einem einzigen Gehäuse aus. Große Betriebsmittel wie z. B. Transformatoren oder Frequenzumformer, die man bislang entweder gar nicht oder nur mit sehr viel Aufwand für den Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen ertüchtigen konnte, können jetzt sicher in die großvolumigen Gehäuse eingebaut werden.
Die Atex- und IECEx-Zertifizierung wurde bei den beiden namhaften deutschen Prüfstellen parallel durchgeführt. Für die ersten vier Gehäusegrößen liegen die notwendigen Zertifikate bereits vor. Für den Atex-Bereich konnten unter Inanspruchnahme des Anhangs II der Richtlinie 2014/34/EU reine Ex-d-Zertifikate ausgestellt werden (dieser Anhang ermöglicht bewusst innovative Lösungen, die noch nicht 100 % in den relevanten harmonisierten Normen enthalten sind). Für die IECEx-Zertifikate wurden sowohl die Norm IEC 60079-1 als auch die Norm IEC 60079-33: Sonderschutz verwendet. Beide genannten Prüfstellen wirkten dabei als die zwei von der 60079-33 geforderten »Unabhängigen Gutachter« (»Independent verifier«).
Dieses Buch beschreibt die Vorgehensweisen zur Errichtung und Instandhaltung elektrischer Betriebsmittel und Geräte in explosionsgefährdeten Bereichen. Es enthält neben aktuellen Aussagen zur DIN EN 60079 alle aktuellen Änderungen, die für das Betreiben, Errichten und Instandhalten elektrischer Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen wesentlich sind, sowie alle relevanten Gesetze und Verordnungen.
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