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Praxisfrage

Warnhinweis Fremdspannung

In der VDE 0660-600-1, VDE-AR-N 4105 und VDE 0100-712 finde ich keine Forderung oder Empfehlung, dass an dem Einspeisepunkt (z.B. NH-Sicherungslasttrenner, den Anschlussklemmen im Verteiler) ein Warnschild mit der Aufschrift »Achtung Fremdspannung« angebracht werden muss. Schaltet man die Zuleitung der NSHV ab, steht von der PV-Anlage doch immer noch Spannung an, oder?

F. E., Nordrhein-Westfalen

Expertenantwort vom 04.03.2025
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M.Eng. Dipl.-Ing.(FH) Marc Fengel

Ausbildung als Elektroinstallateur,  nach einem Studium Masterabschluss im Bereich Elektrotechnik mit der Vertiefungsrichtung Erneuerbare Energien. Berufserfahrungen in der technischen Betriebsführung von Solarparks. VdS anerkannter Sachverständiger zum Prüfen elektrischer Anlagen sowie Sachverständiger für PV-Anlagen und Maschinensicherheit. Seit 2021 ist er Inhaber eines Ingenieur- und Sachverständigenbüros. Daneben engagiert Marc Fengel sich in Arbeitskreisen DKE und ist in der Meisterausbildung sowie als Fachautor tätig.

DIN VDE 0100-712, VDE-AR-E 2100-712, DIN VDE 0126-14-1, DIN VDE 0126-14-2 (in der derzeit gültigen Fassung)


Wichtige Begriffsklärungen

Vorab möchte ich gerne die Begrifflichkeiten klarstellen. Es ist zwischen dem Begriff der 

  • Fremdspannung und 
  • unter Spannung stehende Abschnitte 

der elektrischen Anlage zu unterscheiden. Als Fremdspannung werden die an einem Verteiler oder einer Schaltgerätekombination angeschlossenen Leiterabschnitte bezeichnet, dessen Quelle und Absicherung nicht in dieser angeordnet sind. Als Beispiel seien hier Sicherheitsketten genannt. 

Dem gegenüber steht der Begriff der sogenannten »Ausgenommenen Stromkreise«. Unter ausgenommene Stromkreise versteht man im Allgemeinen die in einen Verteiler oder eine Schaltgerätekombination eingeführten Leiterabschnitte, die bei ausgeschaltetem Hauptschalter unter Spannung stehen. Dies sind z.B. in Maschinenschaltschränken (Schaltgerätekombinationen) alle Leitungsabschnitte zwischen den Netzanschlussklemmen der Versorgungsleitung und Stromkreise für Wartungszwecke wie Arbeitssteckdosen und Beleuchtung. 

Eine PV-Anlage bzw. ein PV-Stromversorgungssystem erstreckt sich über die Gleichspannungsseite, über den PV-Wechselrichter bis zur Überstrom-Schutzeinrichtung des PV-Wechselstromversorgungskreises. Hierbei sind bzgl. der unter Spannung stehenden Leitungsabschnitte zu unterschieden zwischen der Gleichspannungsseite und der Wechselspannungsseite.

Gleichspannungsseite der Anlage

Die Leitungsabschnitte der Gleichspannungsseite (die PV-Stränge) stehen bei abgeschalteten PV-Wechselrichter unter Spannung. Gemäß DIN VDE 0100-712 Abs. 712.537.2 sind für Instandhaltung und Wartungszwecken des Wechselrichters Einrichtungen zum Trennen des Wechselrichters und der Gleichspannungsseite und der Wechselspannungsseite vorzusehen. Die Trennstellen sind in den Wechselrichtern in der Regel integriert. Die Trennstellen haben den Zweck beim Öffnen der Wechselrichter aus Gründen der Wartung und Instandhaltung die vom PV-Generator anliegende Gleichspannung zu trennen und so gleichspannungsseitig Spannungsfreiheit herzustellen. Ebenso ist vor Beginn das Arbeiten der spannungsfreie Zustand nach DIN VDE 0105-100 Abs. 6.2 unter Beachtung der fünf Sicherheitsregeln herzustellen. 

Gesondert sind die Leitungsabschnitte zwischen den PV-Modulen und den DC-Anschlussstellen der PV-Wechselrichter zu beachten. Diese Leitungsabschnitte können nur mit einer DC-Trennstelle getrennt werden oder durch automatisches Herabsetzen der DC-Spannungen durch Modul-Optimierer auf ein verträgliches Maß (Kleinspannung) reduziert werden. Die Forderungen von DC-Trennstellen resultieren z.B. aus dem Brandschutzkonzept oder den Auflagen des Versicherers. 

Hier bietet die VDE-AR-E 2100-712 einen Maßnahmenkatalog an, das Risiko durch DC-Leitungen im Gebäude bei der Brandbekämpfung für Rettungskräfte zu reduzieren. Gemäß VDE-AR-E 2100-712 Abs. 5 muss ein Hinweisschild Auskunft über das Vorhandensein einer PV-Anlage geben. Dies wurde auch in die derzeit gültige Ausgabe der DIN VDE 0100-712 übernommen und ist im Rahmen einer regelkonformen Errichtung anzuwenden. Demnach ist – nach DIN VDE 0100-712 Abs. 712.514 – an jedem Zugangspunkt zu aktiven Teilen auf der Gleichspannungsseite eine dauerhafte Kennzeichnung über das Vorhandensein einer PV-Anlage anzubringen. Der Hinweis soll vor aktiven Teilen, die nach Abschaltung der Wechselrichter unter Spannung stehen. 

Der Warnhinweis über das Vorhandensein einer PV-Anlage erfüllt dasselbe Schutzziel wie die Warnung von Fremdspannung und ist normativ für PV-Anlagen erforderlich. 

Wechselspannungsseite der Anlage

Kommen wir zur Wechselspannungsseite. Bei der Wechselspannungsseite ist im ersten Schutz zwischen netzgekoppelten PV-Wechselrichtern und autarken PV-Wechselrichtern zu unterschieden. Netzgekoppelte PV-Wechselrichter stellen die Netzspannung nicht bereit, sondern regeln ihre Ausgangswechselspannung so, dass die leicht über der der Netzspannung liegt. 

Ein netzgekoppelter PV-Wechselrichter kann nur zuschalten, wenn zwischen dem Ausgang des Wechselrichters und des Niederspannungsnetzes die Synchronisationsbedingungen eingehalten sind. Es müssen zwischen der AC-Ausgangsspannung am Wechselrichter und dem Stromversorgungsnetz folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Spannungsgleichheit
  • Frequenzgleichheit
  • gleiche Phasenfolge.

Die zulässigen Toleranzen sind in den Normen DIN VDE 0175 und DIN EN 50160 festgelegt.  

Ist eine oder mehrere der genannten Synchronisationsbedingungen nicht erfüllt, schaltet der netzgekoppelte PV-Wechselrichter nicht zu und die automatische integrierte Trennstelle bleibt geöffnet. Die Einrichtungen für die selbsttätige Trennung des Wechselrichters vom Netz müssen nach DIN VDE 0126-14-2 Abs. 4.4.4.15.2 so ausgeführt sein, dass im geöffneten Zustand mindestens eine Basisisolierung oder eine einfache Trennung aufrechterhalten bleibt. Die Trennstrecke der selbsttätigen Trennung des Wechselrichters vom Netz ist demnach für die höchst zu erwartende Spannung isoliert und kein Überschlag erfolgt. Die Trennstrecke entspricht demnach einer automatischen Freischaltung. Die Leitung der PV-Wechselstromversorgung steht demnach seitens des Netzes unter Spannung. 

Erfolgt eine Freischaltung des PV-Wechselstromkreises bei eingeschaltetem PV-Wechselrichter in der Hauptverteilung oder der am nächsten angeordneten Trenneinrichtung, sind an den Eingangsklemmen des PC-Wechselrichters die oben beschriebene Synchronisationsbedingungen nicht erfüllt und der Wechselrichter öffnet die automatische Trennstelle. Damit ist die Leitung zwischen Wechselrichter und Trenneinrichtung (NH-Trenner o.ä.) sowohl durch die netzseitige Freischaltung als auch durch die automatische Freischaltung im PV-Wechselrichter freigeschaltet. Ein Warnhinweis vor Fremdspannung ist demnach bei netzgekoppelten PV-Anlagen in der Hauptverteilung nicht erforderlich. 

Im Wechselrichter sind u.a. Kondensatoren angeschlossen. Diese können nach Abschaltung Restspannungen bzw. Restladungen aufweisen. Demnach besteht bei Öffnen der Abdeckungen zu Wartungs- und Instandhaltungszwecken die Gefahr des elektrischen Schlages infolge Restladungen. Hierzu muss der Hersteller des PV-Wechselrichters nach DIN VDE 0126–14-1 durch Kennzeichnungen auf dem PV-Wechselrichter und in der Montage- du Bedienungsanleitung auf diese Gefahr hinweisen. Hierzu ist die erforderliche Zeit anzugeben, bis durch die Spannung an den Bauteilen nach Abschalten des Wechselrichters keine Gefahr besteht (Bild).  

 

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Bild: Warnhinweis bezüglich der Gefahr des elektrischen Schlages durch Restspannungen nach DIN VDE 0126-14-1;

Quelle: VDE Verlag

Inselnetze

PV-Wechselrichter im Inselbetrieb stellen an den Anschlussklemmen das Inselnetz für die Verbraucherpfade bereit. Im Gegensatz zum netzgekoppelten Wechselrichter schaltet dieser das eigens bereitgestellte Netz. Folglich würde die PV-Wechselstromhauptleitung bis zur Einspeisestelle unter Spannung stehen. In diesem Fall ist die gesamte elektrische Anlage bei Abschaltung des PV-Wechselrichters (Inselwechselrichter) spannungsfrei.

Zusammenfassung

Sie stellen die Frage nach der Erfordernis eines Warnhinweises »Achtung Fremdspannung« in der NSHV bei Anschluss eines 
PV-Wechselrichters und ob das angeschlossene PV-Wechselstromversorgungskabel seitens des Wechselrichters unter Spannung steht.

Grundsätzlich ist die Anbringung eines Warnhinweises mit der Aufschrift »Achtung Fremdspannung« irreführend, da keine Spannung eines anderen Stromkreises als dem des PV-Wechselrichters anliegen kann. Netzgekoppelte PV-Wechselrichter benötigen die Netzspannung, die Netzfrequenz und die richtige Phasenfolge (Rechtsdrehfeld), damit die im Wechselrichter integrierte automatische Netztrenneinrichtung zuschaltet. Wird die PV-Wechselstromversorgungsleitung in der NSHV freigeschaltet, sind an den Netzanschlussklemmen des PV-Wechselrichters die Synchronisationsbedingungen nicht erfüllt und die integrierte Trennstelle im Wechselrichter öffnet. Folglich besteht keine Gefährdungen durch Rückspannungen an Trennstelle (NH-Trenner) in der NSHV. Die erforderlichen Kennzeichnungen von PV-Anlagen und deren Wechselstromversorgungskabel sind demnach nicht mit einem Warnhinweis »Achtung Fremdspannung« zu kennzeichnen. 

Die PV-Anlage, Leitungsabschnitte der Gleichspannungsseite sowie der Warnhinweise vor Restspannungen sind in den genannten Normen und Regelwerken festgelegt. Zudem sind die Anforderungen nach DIN VDE 0105-100 in Verbindung mit der Gefährdungsbeurteilung des Betreibers gemäß BetrSichV §3 zu beachten und erforderlichenfalls weitere Maßnahmen festzulegen. 

Marc Fengel

PP25015


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