Witten liegt etwa 15 km südöstlich von Bochum und ist mit ca. 95.000 Einwohnern die größte Stadt des Ennepe-Ruhr-Kreises. Die Nähe zu weiteren Großstädten wie Dortmund lässt erahnen, dass der Bedarf an Betrieben wie der Dienhart GmbH groß sein muss. Die Anfahrt über die sonst sehr ausgelastete A448 verläuft reibungslos, der erste Eindruck bestätigt den vermuteten »Ruhrpott-Charme« des Ortes. An der Adresse Hellweg 33 angekommen, erwarten mich eine strahlende Geschäftsführerin (Bild 1) und ein ausnehmend guter Kaffee. Das Gespräch kann beginnen.
Gesellin – Meisterin – Geschäftsführung
Nach dem erwähnten BLW blieb Lorena Mattes ihrem Handwerksberuf treu, wollte aber mehr: »Ab dem Jahr 2015 bin ich zur Abendschule gegangen für den Teil 3 und 4 des Meisterlehrgangs bei der HWK Dortmund (Anm. d. Red.: Betriebswirtschaftlicher Teil und die Ausbildung der Ausbilder; AdA) – für den Teil 1 und 2 musste ich dann nach Oldenburg gehen.« Das gelang ihr auch mit Hilfe »von außen«; ein Stipendium ebnete ihr den Weg zum begehrten Meisterbrief: »2017 habe ich die Meisterprüfung abgeschlossen und sofort die Geschäftsführung (GF) übernommen, das war auch so so geplant, denn bereits in meiner Ausbildung kam Herr Dienhart auf mich zu und hat mir das Angebot unterbreitet, nach bestandener Meisterprüfung den Betrieb zu übernehmen.« Voraussetzung für die Übernahme waren außer dem Meisterbrief dann noch Lehrgangsteilnahmen in Bezug auf die DGUV, um in Zukunft selbst die Sicherheitsunterweisungen vornehmen zu können.
In der Showbranche würde man jetzt von einem »rasanten« Aufstieg sprechen; im Handwerk bleiben wir da schon bodenständiger und dennoch: was war das für ein Gefühl, in solch jungen Jahren schon die GF innezuhaben? Die Antwort: »Das war unbeschreiblich! Sie müssen sich vorstellen, ich war 26 Jahre alt und bekam die Verantwortung für einen kompletten Betrieb. Das fühlte sich in meinem Alter sozusagen ‚riesig an‘, auch wenn der Betrieb als solches natürlich überschaubar war und ist. Zum Zeitpunkt der Übernahme waren wir zu dritt, also zwei Gesellen und ich plus zwei Mini-Jobber. Mittlerweile sind bei Dienhart drei Gesellen beschäftigt plus einem Auszubildenden. Die Mini-Jobber sind uns zusätzlich erhalten geblieben.« Mini-Jobber, das bedeutet, es gibt eine Bürokraft und eine zusätzlich Hilfe für die Fahrten zu Kunden, was die Abholung und Auslieferung von Motoren betrifft.
Arbeitsbereiche und Kunden
Das nicht alles im Leben glatt läuft, das wusste Frau Mattes auch schon vor ihrer Karriere im Elektromaschinenbauer-Handwerk. Doch nun als Mensch, der die Verantwortung auch für andere trägt, sieht sie auch hier und da die Probleme eines Wirtschaftsbetriebes: »Die schwankende wirtschaftliche Lage macht uns schon zu schaffen, denn wie es bei den Kunden läuft, so läuft es bei uns. Wir sind schlicht und ergreifend abhängig von der Produktionssituation unserer Kunden. Wird dort nicht produziert, geht auch nichts kaputt und demgemäß gibt es für uns nichts zu reparieren.«
Dabei rekrutieren sich die Kunden hauptsächlich aus der Industrie. Sie bilden den Löwenanteil beim Umsatz. Dennoch ist auch der Betrag von »kleineren« Kunden, die z.B. mit etwa fünf Reparaturen im Jahr auftreten, noch sehr groß: »Leben könnten wir davon aber nicht,« konstatiert Lorena Mattes. Mittlerweile hat sich auch das Spektrum des Arbeitsbereichs erheblich erweitert.
Man merkt es Lorena Mattes an, dass sie nur ungern Aufträge ablehnt: »Die Leute rufen mich an und fragen, ob wir das oder das auch könnten und ich antworte dann immer ‚Bring mal vorbei‘.« So befinden sich inzwischen auch Servoantriebe im Leistungsspektrum des Betriebes, abgesehen von den Pumpen, Getrieben und natürlich Motoren, die schon immer repariert wurden. Aber: »Kunden bringen uns auch Hydraulik-Aggregate oder einen kompletten Kompressor. Das schauen wir uns dann an und wenn wir helfen können, können wir helfen und wenn nicht, dann eben nicht, meistens funktioniert es aber mit der Hilfe.«
Sie ist ebenso stolz darauf, dass in ihrem Betrieb noch improvisiert und »getüftelt« wird: »Eine Anfrage drehte sich um eine abgerissene Ankerwelle eines Servoantriebs. Der Kunde hatte eine Wartezeit für den neuen Antrieb von sechs Wochen. Das Problem war aber, dass seine Anlage stillstand. Meine Absprache mit dem Kunden war in der Art, dass wir das jetzt versuchen können, eine neue Welle zu drehen. Sollte es nicht klappen, müsste er dennoch das Risiko und die Kosten tragen mit dem Ergebnis, dass die Anlage immer noch läuft und der Ersatzmotor noch im kundeneigenen Lager weilt.«
Der »status quo« und die Zukunft
Mittlerweile ist Frau Mattes nur noch mit administrativen Aufgaben betreut und hat sich aus dem Werkstattbereich zurückgezogen: »Es gibt Tage, da bekomme ich ständig Anfragen per Telefon. Stehe ich dann an einem Motor und müsste alle dreißig bis vierzig Minuten meine Arbeit unterbrechen, würde ich schlicht nichts fertig bekommen. Denn der Kunde erwartet ja von mir, dass ich ihm sofort helfe und nicht per hinterlegtem Zettel und einer am Abend geschriebenen E-Mail, das nützt ihm nichts. Insofern ist es sinnvoll, dass ich mich – außer natürlich, wenn ‚Not am Mann‘ ist – aus dem Reparaturjob zurückgezogen habe, ganz abgesehen davon, dass ich nicht mehr ständig im Kopf umschalten muss.«
Natürlich fehlt ihr die frühere Arbeit, weil sie mit ganzem Herzen Elektromaschinenbauerin ist: »Ich muss zugeben, dass ich während meiner Werkstattzeit viel ausgeglichener war. Da gab es nur eine Sache, um die ich mich kümmerte und ich war den ganzen Tag auch in Bewegung. Ohne Zweifel bin ich auch gerne Geschäftsführerin, aber es ist vom Kopf her viel, viel anstrengender.«
Den körperlichen Ausgleich zur weitestgehend sitzenden und kopfmäßig anstrengenden Tätigkeit bildet die ihre Hündin: »Nach zwei, drei Jahren war ich an einem Punkt zu sagen, dass ich mir einen Hund anschaffe. Wenn ich jetzt nach Hause komme, mache ich mir den Kopf frei auf unseren gemeinsamen langen Spaziergängen. Das ist mir wichtig, denn ich habe mit der Zeit gemerkt, dass ich nicht mehr abschalten kann. Das geht vielleicht im Alter von 26 Jahren noch recht gut, zu arbeiten und dann nach Hause zu fahren ohne Ausgleich, der sich dann anschließt. Doch mittlerweile zwinge ich mich dazu, eine Pause zu machen und das ist auch gut so.«
Den Blick auf die Zukunft gerichtet sagt sie, dass größere Investitionen nicht geplant sind und das derzeitige Equipment wie Werkzeuge und Messgeräte völlig ausreichend ist. Dennoch ist sie froh, dass jüngst eine Teilewaschmaschine angeschafft wurde, die betriebswirtschaftlich gesehen absolut sinnvoll ist: »Das ‚Kärchern’ gehört jetzt der Vergangenheit an. Jetzt können meine Kollegen die zu reinigenden Teile in die Maschine legen, anschalten und sich in den kommenden Minuten wieder um ihre Arbeit kümmern, statt mit dem Hochdruckgerät zu hantieren.«
Außerdem steht aus ihrer Sicht noch die komplette Übernahme des Betriebs an, also aus der GF würde dann die Inhaberin Lorena Mattes: »Schön wäre natürlich, wenn wir bis dahin eine stabilere Auftragslage hätten. Außerdem schwebt mir auch vor, einen weiteren Mitarbeiter einzustellen. Doch auch ohne die Erweiterung wäre ich sehr zufrieden, denn die Größe des derzeitigen Betriebs passt für mich gut. Wir sind flexibel, können schnell auf Kundenanfragen reagieren und das macht aus meiner Sicht unseren Marktwert aus.« Dabei muss man wissen, dass die Reparaturen, gleich welcher Art und Dringlichkeit, ausschließlich intern vorgenommen werden (Bild 2). »Ein Außendienst ist bei dieser Betriebsgröße schlicht nicht realisierbar«, resümiert sie.
Nach einer kurzen Werkstattführung ist es auch schon wieder Zeit zu gehen, denn die Zeit im Handwerk ist kostbar, mein Weg nach Hause noch weit und Wittens Charme möchte ich lieber ein anderes Mal wieder genießen.
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